Oberösterreich, 27. Jahrgang, Heft 4, 1977

Eine große Anzahl von Stilleben zeugt dafür, daß Louis Hofbauers Phantasie in diesen Vorwürfen schier unerschöpflich war. Da gibt es Stilleben mit Blumen, Forellen, mit volkstümlichen Gegenstän den, wie einem kleinen Glassturz, darin eine Kerze steckt, mit Seidentuch, ja so gar mit Gemüse. Das ,,Biedermeier-Inte rieur" sei In diesem Zusammenhang er wähnt, das Bild Ist sozusagen ein großes Stilleben. Krönung seines Werkes sind aber seine religiösen Kompositionen, auch die ex pressiven Magdalena-Bilder, das eine un ter dem Kreuz des Heilandes auf Gol gatha, und das ,,Mutterschaft" benannte, ein Frauenantlitz (Brustbild) im grünen Licht, eigentlich das Bildnis der Frau sei nes Freundes Hosaeus. Mit ihm, dem Forstinspektor in Mattighofen und erstem Sekretär der IKG, war Louis Hofbauer in tiefer Freundschaft verbunden. Mit Ho saeus und Aloys Wach hat er sich 1923 im Cafe Post in Braunau wegen der Gründung der Innviertier Künstlergilde zuerst besprochen. Diese Gilde trat im Dezember 1923 mit einem Programm vor die Öffentlichkeit, hinter das sich Louis Hofbauer genauso wie Aloys Wach mit ganzer Energie und Leidenschaft gestellt haben. Die schon genannte Komposition „Berg predigt" liegt in zwei Fassungen vor. Hof bauer hat sie immer als sein „Gespräch mit Schuch" bezeichnet. Damit ist der Wiener Impressionist Carl Schuch ge meint. Carl Schuch hat von 1846 bis 1903 gelebt, er gehörte mit seinem Freund, dem Freiilchtmaler Wilhelm Trübner, zum Kreis um Leibi. Schuch hat jahrelang in Mün chen, Venedig und Paris gelebt, 1894 kehrte er nach Wien zurück, wo er nach längerer Krankheit, die in geistiger Um nachtung endete, auch starb. Bekannt im größeren Kreis wurde er erst 1906, also nach seinem Tod, durch die berühmt ge wordene Beriiner Jahrhundert-Ausstel lung. Er hat das Stilleben als künstle rische Gattung mit seinen gedämpften Farben und einer kompositionell ausge wogenen Gestaltung im Sinne Cezannes für die österreichische impressionistische Malerei gleichsam neu entdeckt. Auch Landschaften und Interieurs leben von dieser Malweise, die ins Flächige vor stößt. Louis Hofbauer, der ähnliche Ver fahren überiegte, aber mit seinem farbi gen Kolorit und durch sein „plastisches" Verfahren, schließlich auch durch seine übrigen Disziplinen, das Porträt und die Darstellung von Menschenmassen, ein viel reichlicheres Gesamtwerk hinterlas sen hat, wurde von der Art Schuchs si cherlich beeindruckt, sie forderte ihn je doch auch zu einer grundsätzlichen Stel lungnahme heraus. Er vollzog sie als Maler, der er vor allen anderen Tätigkei ten gleichsam von Geburt an war, er antwortete Carl Schuch, der ihm voran ging, mit dem Pinsel. Es mag ein eigen artiger Dialog gewesen sein, sich mit einem Toten der eigenen Branche — zu Lebzeiten Schuchs kann es keine persön liche Begegnung gegeben haben, dazu war Hofbauer zu jung, auch hätte die Krankheit Schuchs kein Gespräch der beiden erlaubt — über dessen Bilder im Hinblick auf die seinen, die Schuch nicht kannte, zu unterhalten. Einigermaßen tragisch mutet es an, daß ein bei Künst lern gar nicht so seltenes Schicksal (es sei an Hölderlin und van Gogh erinnert, die freilich, weil sie an sogenannten Schüben litten, von Zeit zu Zeit klar den ken und darüber hinaus, so van Gogh, arbeiten konnten) wie geistige Umnach tung eine persönliche Begegnung der beiden unterband. Schuch hätte als ge sunder Mann noch leben können, als der Aufstieg Hofbauers begann. Dafür haben wir den einmaligen Fall dieses „Gespräches mit Schuch" als eine mit dem Pinsel einseitig ausgetragene Aus einandersetzung, die aber auch die Ehr furcht des Jüngeren, Nachgekommenen herausstellt, ein Hinweis auf Hofbauers makellosen Charakter. Wie die „Mutterschaft" zu den religiösen, weil ethischen Aussagen Louis Hof bauers zu zählen ist, so auch sein Ölbild — ansonst liegen nur Zeichnungen vor, die seine technische Meisterschaft bezeu gen — ,,Der zwölfjährige Jesus im Tem pel". Schon das Porträt,,Tassilo Hosaeus" verrät Hofbauers unbestechlichen Blick in die Kinderseele. Dieser ,,Zwölfjährige Jesus" ist ein Bub aus unseren Gegen den, ein aufgeweckter Junge, der hinhor chen kann, dabei jedoch schon an seine Erwiderung denkt. Darin liegt ja die Kunst des Porträtisten, daß er auszudrücken versteht, was hinter der Stirn der dar gestellten Menschen vorgeht. Auch sein Kinderbildnis „Griseldis" unterstreicht diese Möglichkeit des Malers, ein Kind nicht „süß" zu malen, das ist es von selbst, sondern einen Ausdruck einzufangen, der sein Wesen festhält. Bleibt von Louis Hofbauers Ölgemälden noch sein großes Beethoven-Bild zu nen nen, eine introvertierte Huldigung an den Genius, eine Verbeugung vor dem höhe ren und inneren Wesen eines Menschen, eines Tondichters als unentwegten Be schwörer der menschlichen Freiheit, ein Kampf, der die Künstler in allen Zeiten zu unsterblichen Werken getragen hat. Bei Beethoven gipfelt diese heroische Einstellung in seinem Gefangenenchor im ,,Fidelio". Gewiß hat Louis Hofbauer die sen Gesang geliebt, der nicht nur das Herz aufrüttelt, sondern auch jenes Mit leid erregt, das Schopenhauer als mora lische Triebfeder im Zusammenleben der Menschen vorgestellt hat. Wie im „Ge spräch mit Schuch", mit seiner „Berg predigt", die sich dadurch zu einer un gemein humanen Aussage — ein Maler spricht durch sein Bild mit der leidenden Kreatur, der geistig umnachteten, und bekennt sich auf solche Weise zu ihr! — vertieft und zugleich über jede Grenze ausweitet, erklärt er sich in diesem Beet hoven-Bild mit seinen ureigensten Mit teln, denen der Farbe in gestalteter Kom position, für die Freiheit des Menschen, für einen Aufbruch zu ihr. In unserem Zeitalter der politischen Dissidenten in Ländern, die diese Freiheit mit gewalti gen Worten vertreten, hinter denen aber nichts steckt, in einer Epoche, deren Zeit genossen es allmählich gewohnt werden, mit der geschickt angebrachten Lüge zu leben, ist plötzlich der Maler Louis Hof bauer, 45 Jahre nach seinem Tod, zu einem Bannerträger für alle geworden, die nicht mit dem Weltfrieden spielen, sondern ihn aus ihrer ungebrochenen Moral fordern. Es muß — leider! — aber auch als Symbol für unsere Zeit erschei nen, daß ausgerechnet die Farben der beiden Fassungen der „Bergpredigt" verblichen sind, öft zeugen von der Masse Mensch völlig unbeachtete Er scheinungen, eigentlich nur sie, schon lange Veränderungen, vielmehr einen neuen Beginn im menschlichen Leben an, bevor sich dieser verbreitet. Alles Große wächst langsam. Das soll für uns als Beweis dafür gedeutet werden, daß auch die Kunst keine nutzlose Einrich tung ist. Auch sie gehört zur Öffentlich keit. Der bedeutende bayerische Bild hauer Hans Wimmer, München, Gilden meister der IKG, hat es einmal so aus gedrückt: „Kunst ist nicht nur Genuß, Kunst ist ein ethisches Postulat — auch für die Wirtschaft." Louis Hofbauer hat davon, so wenig sich unsere Zeit darum kümmert, schon vor fünfzig und mehr Jahren gewußt.

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