Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Abgang vom Kirchenplatz in St. Woifgang zum Hotel „Weißes Rößl", das Ralph Benatzky mit seiner gleichnamigen Operette in die Traum\weit der internationalen Operette eingeführt hat. Foto: Pfarl Raum zur Folge hatte, auf die bloße Versinnbildlichung einer abstrakten Rechtssituation zurückgeht? Heute ist die Forschung anderer Mei nung. Man glaubt, daß der Falkenstein, diese dunkle Waldschlucht mit Ihren geheimnisvollen Höhlen, Wasserstellen und jähen Ausblicken auf See und Berge schon in früher Vorzelt eine Kultstätte von Rang war. Da klaffen drei Löcher im Felsen, man kriecht bei dem einen hinein, bei dem anderen wieder heraus. Solche Durchkriechsteine haben seit eh und je die Phantasie der wundergläubigen Men schen angeregt. Man meinte, beim Durch kriechen könne man die Krankheiten und Übel an dem Stein abstreifen. Daneben quilit ein Brünnlein aus dem Boden, auch dieses empfand man als heilkräftig, und oben auf der Höhe des Bergsattels sind in dem Felsen Eindrücke zu sehen, als ob sich einer mit ailer Kraft dagegen ge stemmt hätte. Vielleicht verehrte man hier den starken Donnergott Thor, den Hammerschwinger, und aus seinem Ham mer wurde das Beil des helligen Wolf gang. Man darf sich dies freilich nicht so vorsteilen, als sei der Heilige einfach an die Stelle des alten Heidengottes getre ten. Er hat ihn vielmehr vertrieben und Christus hier eingesetzt. Tatsächlich spricht sehr viel dafür, daß der heilige Wolfgang, der von 924 bis 994 lebte, längere Zeit Im Kloster Mondsee weilte und sich hier um die Erschlie ßung und Christianisierung des ihm unterstehenden Aberseeforstes bemühte. So wurde er mit Recht zum Rodungsheillgen, dem man die Axt als Attribut in die Hand gab und der dadurch mit gewis sen Zügen der altvertrauten Gotthelten ausgestattet wurde. Dadurch, daß man ihm die Gründung der Kirche von Sankt Wolfgang zuschrieb, wurde er auch zum großen Kirchenerbauer, der den Teufel überwand und Ihn zwang, bei dieser Ar belt mitzuhelfen. Das Volk wurde von die sen Szenen ergriffen, auf ungezählten Bildern stellte man sie dar; bis hinaus nach Rothenburg ob der Tauber und nach Böhmen drang diese Legende und auf vieien Flügelaltären erkennt man das Be streben der mittelalterlichen Künstler, den Gläubigen die heiligen Gestade die ses Sees und den Anblick der berühmten Wailfahrtsstätte nahezubringen. Wer aber konnte, zog selbst dorthin. St. Wolfgang wurde nach Aachen und Einsiedeln die bedeutendste Wailfahrt Deutschlands, in ganz Bayern und Öster reich gab es keine größere. Reiche Opfer flössen dem Gotteshaus zu, die Pilger verhalfen dem Ort zu Wohlstand. Man kann fast von dem ältesten Fremdenver kehrszentrum Oberösterreichs sprechen, wenn auch das Motiv, das die Leute an zog, andersgeartet war als heute. Der Kampf ums Geschäft blühte jedoch schon damals. Die Schiffleute von St. Wolfgang und St. Gilgen lieferten sich Prügeleien, wenn es darum ging, eine Kirchfahrer schar über den See zu transportieren. Selbst den Souvenirhandel gab es schon: man verkaufte Woifgangihackeln aus Zinn oder aus Silber, Krötenpulver und Gedenkmünzen. Diese Wirtschaftsblüte — sprechen wir ruhig so, denn das eigentiiche Wailfahrtsziei war zu Beginn der Neuzeit durch Mißbräuche schon stark verdun kelt - wurde durch die Reformation plötzlich stark beeinträchtigt. Ein Bischof, der in die Einsamkeit zog, gait den An hängern der neuen Lehre nicht mehr als besonders vorbildlich, eher als pflicht vergessen. Über die Legenden vom Teu fel und vom Beilwurf machte man sich höchstens lustig. Kein Wunder, daß Pil gerfahrten zum Abersee unmodern wur den, und wenn abgelegene Dörfer dem alten Brauch treu blieben, dann konnte es ihnen ergehen wie jener frommen Schar aus der Kremsmünsterer Gegend, die auf dem Weg nach St. Wolfgang beim Zug durch Gmunden angestänkert und belästigt wurde. Eine Pllgerin warf man gar In den Traunsee und beim Rückzug gab es noch einmal einen Aufruhr. Daß die Bewohner von St. Wolfgang in ständig darum flehten, der Heilige Vater Wolfgang möge ,,dle Ketzerei ausrotten", wie es in einem damals aufgekommenen Gebet heißt, darf nicht verwundern. Mit der Gegenreformation kamen dann tat sächlich bessere Zeiten. Die Barockäbte von Mondsee, würdige und achtenswerte Männer, bemühten sich um die Neubele bung der Wallfahrt und erreichten schöne Erfolge. Erst das Zeitalter der Aufklärung beendete die Epoche der Wallfahrt In der Geschichte von St. Wolfgang und nach einer kurzen Zeit der Not und Existenzlosigkeit setzte die Epoche des Touris mus ein. Immerhin kommen aber auch noch heute gar nicht wenige Wallfahrer scharen nach St. Wolfgang, viele aus weiter Entfernung, etwa aus der Gegend von Salzburg, aus Regensburg oder aus dem Bayrischen Wald. Man möchte gerne aus dieser großen und interessanten Zeit noch so manches erzählen, etwa die Mirakelbücher zitie ren, die eine ungiaubliche Füile von Wun dern wiedergeben: Totenerweckungen, In St. Wolfgang fanden viele berühmte Persönlichkelten eine bleibende Heimat, so auch der bedeutende deutsche Schau spieler Emil Jannings (1884—1950). Foto: Bernatzik

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