Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Die 1892 erbaute Schafbergbahn, eine der reizvoiisten Zahnradbahnen in Europa. Sie führt von St. Woifgang über die Schafbergalpe zum Gipfel. Foto: Melichar h-. *• i' '"..k * •;% ..J ,1» renen Sees begangen wurden, oder gar, wenn jemand ertrunken war, denn er mußte In jener Pfarre bestattet werden, in welcher er den Tod gefunden hatte. Eines solchen Falles wegen wurden Im 17. Jahrhundert einmal sogar fremde Söldner zu Hilfe gegen die Nachbarn ge rufen und es schien zum offenen Kampf zu kommen, während ein anderes Mal sich der Erzblschof höchstpersönlich ein schaltete, nachdem die St. Wolfganger den Salzburgern eine Wasserleiche ge stohlen und unter Tedeum und Glocken geläute geradezu Im Triumph zu ihrem Friedhof gebracht hatten. 1697 kam es dann zum Kompromiß, dem ,,Seidenfaden". Man legte die Grenzen In einer geraden Linie quer durch den See fest und symbolisierte sie durch einen gedachten Seidenfaden, der von der Mün dung des DIttelbaches zum Ausfluß der Seeache gespannt war. Niemand fragt mehr nach dem Seiden faden; die heutigen Probleme können nur durch gemeinsame Anstrengungen aller drei Gemeinden gelöst werden, es geht um die Reinhaltung des Gewässers, die Rettung seiner biologischen Substanz und die Bewahrung eines harmonischen Lebens- und Freizeltraumes. Sind das Modewörter unserer Zelt? Drücken wir es anders aus: alles soll so bleiben, wie es etwa Schultes um 1800 schildert: „Reine, sanfte und doch erhabene Schönheit Ist über den Wolfgangsee ausgegossen und Anmut und hehre Würde sind an seinen Ufern vermählt. Ich habe noch keinen See gesehen unter den vielen Seen, die Ich sah, der so viel Zartes und so viel Großes In sich vereinte." Aber um noch einmal zu der umstrittenen Grenze durch den Wolfgangsee zu kom men: Einer der bedeutendsten österrei chischen Historiker, Ignaz ZIbermayr, hat sich mit Ihr eingehend befaßt und sie zur Erklärung der Sage des Wolfgangsees herangezogen, der Legende vom Bell wurf des heiligen Bischofs Wolfgang von Regensburg. Dieser habe als Einsiedler am Falkenstein hoch über dem See ge lebt, so heißt es, und von dieser Anhöhe, auf der Ihn ständig der Teufel bedrängte, sein Bell hinabgeschleudert mit dem Ge löbnis, dort, wo er es wiederfände, eine Kirche zu erbauen. ZIbermayr erklärt diese Geschichte so, daß damit die erste Beilegung des Grenzstreltes Im hohen Mittelalter gemeint war. Der Bellwurf bedeutet ,,eln Denkmal des ältesten deut schen Rechts und dient zum Ermitteln des Verlaufs einer Grenze, die noch nicht bis In alle Einzelhelten vermessen war. Die Axt wurde, so wie der Hammer, ein geheiligtes Gerät, durch dessen Wurf welte das jeweilige Erstrecken des Rech tes auf Grund und Boden bestimmt wurde; das Bell wurde mithin das Sinn bild der Besitzergreifung und der Ro dung." Der Bellwurf des heiligen Wolf gang sei demnach das Symbol des fried lichen Ausgleichs zwischen Salzburg und Mondsee. Können wir dem Altmeister der oberösterrelchlschen Geschichtsforschung hier folgen? Ist es wirklich denkbar, daß eine der lebenskräftigsten mittelalter lichen Legenden, die eine beispiellose Kultdynamik im ganzen süddeutschen

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