Oberösterreich, 26. Jahrgang, Heft 1, 1976

Von oben nach unten: Gotischer Flügelaltar von Michael Fächer, Außenseite der äußeren Flügel: Tafelbild mit Darstellung des Kirchenbaus durch den hl. Wolfgang. Foto: Pfari Historische Ansicht des legendären Pilgerbrunnens nördlich des Chores der Kirche. Foto: Pfarl ler zum Vorwurf gegeben hatte. Nichts Geringeres als den Himmel selbst sollte Fächer darstellen, gemäß den Visionen der heiligen Birgitta von Schweden, welche Maria als Himmelskönigin vor ihrem göttlichen Sohn knien sah. ,,Die wunderbar schönen Haare flössen über Ihre Schultern. Sie trug ein goidenes Ge wand von unaussprechlichem Glänze. In ihrer Krone hat der Herr sieben Lilien und dazu sieben Edelsteine versetzt." Diese Lilien und Edelsteine bedeuten die Tugenden Mariens, und Rächer hat sie getreu wiedergegeben; diese Krone ist ein überaus kompliziertes Gebilde, gebil det aus verschlungenen Ranken und zar ten Spitzen. Linter diesem Kleinod erstrahit nicht minder glänzend das Antlitz der Jungfrau Maria, ein Gesicht, wie es nur die Gotik schaffen konnte, erfülit von dem hehren Frauenideal des hohen Mit telalters, ausgedrückt im Können einer reifen Zeit. Ihm entspricht als Gegenstück die Gestalt des segnenden Christus, vor dem Maria kniet, eine strahlende Erschei nung mit einem kraftvollen Männer gesicht. Ganz anders die Begleitfiguren links und rechts von der überirdisch schönen Hauptgruppe, die Heiligen Woifgang und Benedikt. Bei aller Erhabenheit sind das irdische Gestalten, Menschen, denen wir jederzeit begegnen könnten. Den Unterschied zwischen beiden hat der Pacherforscher Nicole Rasmo folgender maßen beschrieben: ,,Das Gesicht des heiligen Wolfgang ist von bitteren Falten durchfurcht, von Müdigkeit gezeichnet, und vereint ein Leben in ständiger Be rührung mit dem menschlichen Eiend, die Züge des Abtes Benedikt strahlen un gebrochene geistige Kraft und jenes mit leidige Verstehen aus, das aus dem un endlichen Abstand der freiwilligen Welt entsagung kommt." Rings um diese Mittelgruppe, welche Maria in ihrer Glorie und zugleich als Helferin der Menschheit zeigt, ist der Zyklus mit Darstellungen aus dem Leben Mariens angeordnet. Oben im Gesprenge des monstranzartigen Aitares erblickt man die Gottesmutter mitwirkend an den tiefsten Geheimnissen der Erlösung, bei der Verkündigung und unter dem Kreuz ihres Sohnes. Obwohl diese Figuren weit vom Auge des Betrachters entfernt sind, erkennt man Kunstwerke von höchster Feinheit. Es gibt kaum eine Kreuzigungsdarsteilung in der gotischen Kunst, in weicher der qualvolle Durst des sterben den Christus realistischer und ergreifen der dargestellt wird. Liebevoll und menschlich hingegen erscheinen die Fi guren der Predella, idyllische Bilder von lyrischer Innigkeit. Rasmo hat sie dem etwas weicher geratenen Sohn des Mei sters, Hans Rächer, zugeordnet. Groß artiger angelegt sind die vier Flügeibiider, etwa die Darstellung der Beschnei dung, die beherrscht wird von dem prunkvollen Gewand des mächtigen Hohenpriesters, oder die Weihnachts szene mit dem Blick durch das Stadttor Kapelle des hl. Wolfgang, Westwand: Die Bürger von Regensburg entsenden eine Delegation zum hl. Wolfgang, Ölbild von Jakob Zanussi, 1714. Foto: Dr. Widder

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2