Oberösterreich, 24. Jahrgang, Heft 1, 1974

Ritten, röm.-katti. Pfarrklrctie, barocke Bisctiofsfigur vom Hochaltar, 1740. Foto: M. Eiersebner Ritten, röm.-kath. Pfarrkirche zum hi. Georg, Außenansicht. Foto: M. Eiersebner Menschen war die Geldnot groß, die Be sitzungen verschuldet. Nach kurzem Frieden und mühseligem Aufbau brachte der Aufstand der ungari schen Kuruzzen nach 1700 besonders für die südliche Waidmark neue Heimsu chung. Unter ihrem Führer Besseredy drangen sie über Gschaidt und Hoch neukirchen vor. Die Wehrkirchen hielten stand, doch von der Bevölkerung auf freiem Land wurden viele getötet. Zur gleichen Zeit aber tobte im Westen der Spanische Erbfoigekrieg. Umso erstaunlicher ist es, daß trotz all dieser schweren Zeiten und der riesigen Schäden, so bald es nur möglich war, vom Stift und den Pfarren Kirchen, Pfarr höfe, Kapellen und Wirtschaftsgebäude sowie Schulen neu errichtet oder im Ge schmack der Zeit umgebaut wurden. Einen bedeutenden Aufschwung brachte auch hier der Barock. Nur einige der wichtigsten Vorhaben seien angeführt: 1655 erbaute Pfarrer Braunsperger in Bromberg den neuen Pfarrhoftrakt mit zweigeschossigen, kraftvollen Arkaden. In Ediitz erstellte Pfarrer Zeyil den Hauptteii des Pfarrhofes und mehrere Neben gebäude in den Jahren 1658—1668. 1711 ließ Pfarrer Wasmayr die Sakristei und die Pfarrerwohnung reich stuckieren. in Pitten, dessen Pfarrhof durch Über schwemmungen stark gelitten hatte, be gann Pfarrer Guethrater 1652 den Neu bau. 1724 wurden Fassaden und Innen räume locker und elegant stuckiert. Die großzügige Vierfiügelanlage mit geräumi gem Arkadenhof ist wohl einer der schönsten Pfarrhöfe Österreichs. Die Tür kenkriege und Kuruzzeneinfäiie unter brachen fast für ein halbes Jahrhundert die Bautätigkeit. Propst Herkuian Kalchgruber nahm sie 1713 mit der Errichtung der Marien-Wallfahrtskirche in Walpersbach wieder auf. 1732 legte er den Grundstein zur prachtvollen Pfarrkirche Pitten auf halber Höhe des Pittner Burg berges, und Propst Matthias Führer be gann 1746 — trotz der Schulden des Stiftes durch den Österreichischen Erb folgekrieg — den Neubau der Kirche zu Holienthon (Hohenthann). Diesen wirt schaftlichen und kulturellen Aufschwung unterbrachen die Reformen Kaiser Jo sefs Ii. Zur Umgestaltung der Bistümer kam auch eine Umgruppierung der Pfar ren. So wurden z. B. aus der Pfarre Ed iitz Scheiblingkirchen als neue Pfarre ausgeschieden, aus Bromberg Thernberg, aus Pitten Waipersbach und von Lichtenegg Hollenthon wieder getrennt sowie einige eingegangene Pfarren er neuert. Bromberg, Pitten, Ediitz, Holien thon, Scheiblingkirchen, Thernberg und Waipersbach waren dem Stift inkorpo riert, während es über Aspang, Gschaidt, Hochneukirchen, Hochwolkersdorf, Kirch schlag (bis 1700, dann an Salzburg), Krumbach, Lichtenegg, Mönichkirchen, Schäffern, Schönau, Wiesmath und Zo bern das Patronat hatte. Durch die Ma ria-Theresianische Schulreform und die zunehmende Bevölkerung mußte auch in der Waidmark das Schulwesen gestrafft werden. Es waren neue Schulen zu bauen, alte zu vergrößern und Lehrer anzustellen. Da das Stift und die Pfarren dafür aufzukommen hatten, bedeutete dies eine schwere Belastung. Der Stiftsche Lehensverwalter kam oft in große Geldnot, weil die Zehenteinnahmen immer mehr zurückgingen und der Wi derwille gegen Abgaben und Robot ständig wuchs. 1848 wurde dann die Auf hebung alier Robot- und Untertanenlei stungen verfügt. Damit endete die Le hensherrschaft des Stiftes Reichersberg in der Waidmark nach fast genau 700 Jahren. Noch aber liefen die Verpflichtun gen weiter: Erhaltung von Kirchen, Pfarr höfen, Schulen und Wirtschaftsgebäu den, Besoldung von Lehrern und Geist lichen. Erst drei Jahre darnach wurde die durch die Grundentiastung zuer kannte Rente angewiesen, die aber viel niederer ausfiel, als die Einnahmen aus dem Zehent gewesen waren. Eine starke Erleichterung für die Patronatsverwaitung trat ein, als 1864 das Schulpatronat aufgehoben wurde. Für die Seelsorge wirkte sich die Auf hebung des Zehents sehr günstig aus, denn es fielen die Verwaltungsarbeiten weg, und vor allem hörten die zahlrei chen Streitigkeiten auf, die durch das Eintreiben des Zehents immer wieder entstanden. Durch die große Inflation nach dem ersten Weltkrieg wurde die für den abgeschafften Zehent gezahlte Ent lastungsrente völlig entwertet, damit aber auch die Erfüllung der Pflichten für die elf Patronate unmöglich. Am Ende des zweiten Weltkrieges er lebte das Stiftsland, das Kampfgebiet ge worden war, noch einmal die Grenzlage in alier Schärfe. Nach den Zerstörungen folgte eine harte Besatzungszeit. Heute sind die Schäden getilgt. Die Chorherren in ihren Stiftspfarren — als achte kam Erlach dazu — haben am Wiederaufbau großen Anteil. Sie wirken dort wie vor 800 Jahren im Auftrag des hl. Augustinus in Seelsorge und Kulturpfiege. Daß das einst so unwegsame und rauhe Waid land zur Kulturlandschaft umgewandelt wurde, ist mitentscheidend deren Ver dienst. Literatur (Auszug) Classen Reter, Gerhoch von Reichersberg, Wiesbaden 1960 Mitter Bernhard, Die Augustiner-Chorherren In der Rittner Waldmark, Wien 1950 Weiß Gerhoch, Das Chorherrenstift Reichers berg am Inn, Ried 1934 Urkunden des Stiftsarchlves Reichersberg Handbuch der historischen Stätten, Öster reich I, Donauländer und Burgenland, AlfredKröner-Verlag, Stuttgart 1970 Handbuch der historischen Stätten, Öster reich II, Alpenländer mit Südtirol, Alfred-Kröner-Verlag, Stuttgart 1966

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