Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Stadtplatz Steyr mit Leopoldibrunnen im Vordergrund fltt 1V Iii 1 j. , ^ fl ii ,'i 4 > . w Foto Frühauf, Steyr * Eingebettet zwischen den Hochterrassen der Flüsse Enns und Steyr liegt die Altstadt von Steyr, gleichsam als eine Stadt in der Stadt. Unbehelligt von der Industrie, die sich an der Peripherie der Stadt ausbreitet, konnte die alte Eisenstadt ihr mittelalter liches Stadtbild, das uns schon durch eine Radierung aus dem Jahre 1554 von Hans Sebald Lautensack überliefert wird, bis in unsere Zeit bewahren. So kommt es, daß Steyr heute mit Recht als das „österreichi sche Rothenburg" bezeichnet wird, hat es doch auf gedrängtem Raum eine Fülle von kunsthistorischen Kostbarkeiten aufzuwei sen, wie sie kaum eine andere Stadt im weiten Umkreis zu bieten vermag. Überragt vom Schloß, dem Nachfahren der einstigen „Styrapurch", die schon den steirischen Otakaren als Herrschaftssitz diente, und von der weithin sichtbaren gotischen Stadtpfarrkirche, die nach Plänen des Wie ner Dombaumeisters Hans Puchsbaum er baut wurde, liegt der mittelalterlich an mutende Stadtplatz. Hier stehen gotische Giebelhäuser neben verspielten Rokoko fassaden und Bauten aus der Zeit der ReT . E • Y • R naissance neben selbstbewußten Patrizier häusern aus der Zeit des Barocks. Sie zeu gen in ihrer Harmonie davon, daß die alten Steyrer Handelsherren, deren Handelsbe ziehungen von Venedig, Spanien und Lon don bis in die „Asiatische Tartarey" reich ten, schon immer weltaufgeschlossen waren. Einen besonderen Kontrast bilden das Rat haus, ein Rokokobau von seltener Schön heit, und das gegenüberliegende gotische „Bummerlhaus", das wohl zu Recht als das schönste Bürgerhaus Österreichs bezeichnet wird. Aus dem Jahre 1612 stammt der „Innerberger Stadel", ein mächtiger, reich mit Sgraffitoschmuck versehener Renais sancebau, der ursprünglich als Stapelplatz für Getreide und Eisenwaren der Inner berger Eisengewerkschaft diente und nun das als „Eisenmuseum" bekannte Heimat haus und das ebenfalls berühmt gewordene „Steyrer Kripperl" in seinen Mauern birgt. Die Kunst des Eisenhandwerks wurde in Steyr schon seit eh und je hochgehalten; sie gab der Stadt auch ihren Beinamen. Allenthalben begegnen wir dem Eisen in kunstvoller Verarbeitung, sei es in der Form von Wirtshausschildern, Fensterkör ben, Gittern oder Beschlägen. So nimmt es nicht Wunder, daß auch der berühmte Mei ster der Stahlschnittkunst Michael Blümelhuber ein Sohn der alten Eisenstadt war. Vom anderen Ufer des Steyrflusses grüßen die Türme der barocken Michaeierkirche und des benachbarten „Bürgerspitales", das schon um 1180 erwähnt wird und — ein be sonderes Kleinod — eine Eingangshalle, ge tragen von drei prächtigen Marmorsäulen mit romanischen Zierformen, aufweist. Wie ein Schwalbennest scheint der Taborturm — einst eine Wehranlage, heute ein ein ladendes Restaurant — auf hohem Felsen zu kleben. Nicht fern davon trifft man auf das Schnallentor, das, mit vielen Sgraffiti aus gestattet, einen wehrhaft-trotzigen Anblick bietet. Überall finden sich verträumte Ar kadenhöfe, die zum Verweilen einladen. Immer wieder eröffnen sich neue Ansichten, die wert sind, mit der Kamera festgehalten zu werden, und auf seiner Wanderung durch enge Gäßchen und über schmale Stie gen gewinnt der Gast bisweilen den Ein druck, die Zeit sei in dieser Stadt stehen geblieben.

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