Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Felsboden vor Abtragung schützten und sich daher tischartig von der Denudations fläche abheben. Da man weiß, daß der Blocktransport vor etwa 10.000 Jahren ge schah und die Sockelhöhe rund 10 cm be trägt, ist das Denudationsmeter mit etwa 100.000 Jahren anzunehmen, ein relativ langer Zeitraum, der in der Natur kaum formgebende Bedeutung hätte. Wenn man jedoch die Länge geologischer Zeiträume in Betracht zieht, in denen gla ziale Formen verwischt oder wieder ausge löscht werden, so würde das Denudations ausmaß für Hochkarstflächenim kalkalpinen Raum bei gleichbleibenden Verhältnissen in einer Million Jahre schon 10 m und in zehn Millionen Jahren bereits 100 m betragen. Ein für die Geologie und das Bestehen der Kalkgebirge relativ kurzer Zeitabschnitt, in dem die Denudation auf Hochkarstflächen schon zu großer formgebender Bedeutung käme. Die Pflanzendecke des Massivs Das zentrale Kargebirge erhebt sich über die Waldgrenze hinaus. Seine größte Verebnungsfläche, das Plateau am Stein, trägt einen Legföhrenwald (Pinus Mugo),in dem vereinzelt Zirbenbäume (Pinus Cembra) noch eine Höhe von 1900 m besiedeln kön nen. F. Morton (1947) hat als Leiter der Botanischen Station in Hallstatt viele Standortaufnahmen am Dachstein durchge führt. Die Legföhre bezeichnet er als Kämp ferin und Siegerin im Hochgebirge. Ihr Klein- und Drehwuchs ist eine natürliche Anpassung an den Boden und an das Klima. Dort wo sie gedeiht und den Boden geschlossen besetzt, wird die Verkarstung unterbunden, dort wo sie fehlt, wird der Humus abgetragen. Die Legföhrenrodung, um Brennholz für die Almen und Schutz hütten zu erhalten und Latschenkiefernöl zu gewinnen, hat viel zur Verkarstung des Bodens beigetragen. Wenn man bedenkt, daß eine voll entwickelte Legföhre über 300 Jahre alt werden kann und als kleine Pflanze schon während des Dreißigjährigen Krieges den Standort im Dachstein besie delte, wird man diesen Baum unserer Hoch gebirge keinesfalls für einen pflanzlichen Krüppel oder Kümmerling halten. In den Jahren 1954 bis 1959 hat G. Wendelberger (1962) die Pflanzengesellschaften des Dachsteinplateaus auf moderne pflan zensoziologische Weise untersucht. In rund 700 Geländeaufnahmen wurde Material ge sammelt, 550 verschiedene Blütenpflanzen wurden bestimmt und in Gesellschaften zu sammengefaßt — das wohl bisher umfang reichste Material aus einem Gebiet der Ost alpen. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag in der vom Menschen beeinflußten und beeinflußbaren subalpinen Stufe, in der Krummholz-,der Unteren Zirhenwald—und der Oberen Fichtenwaldregion. Auch dieser Forscher bezeichnet den Latschenwald als die wichtigste Pflanzengesellschaft des Dachsteinplateaus in einer Zone zwischen 1740 und 2070 m, und spricht von einem vollgültigen Wald, der als erster „Schutz wald" den Boden festigt und vor Ab schwemmung sichert. Ein Stockwerk tiefer, in der Kampfwaldstufe, zwischen 1640 und 1830 m, sind Zirben-, Lärchen-, Fichtenund Mischwaldbestände vertreten. Hier ist infolge der Beweidung der Wald gelichtet und zeigt den Charakter eines alpinen „Parkwaldes". Eine Verbesserung des Wal des wäre immer noch möglich, und mancher Bestand zeigt einen hohen Grad der Na turverjüngung. So wurden auf einer 200 m- großen Fläche 32 Zirben und drei Lärchenkeimlinge, andernorts auf 400 mgroßem Areal 20 Zirben und einige kei mende Lärchen festgestellt. Es ist äußerst anerkennenswert, daß das Land Oberöster reich für den Kampf gegen die Verkarstung seit 1953 einen Gesamtbetrag von rund 6 Millionen Schilling ausgab. Damit konn ten im Bereich der Gjaidalm allein 300.000 Zirben,Lärchen und Hochlandfichten gesetzt werden (H. Grohs, 1969). Die pflanzlichen Höhenstufen begrenzen einander natürlich nicht entlang der Höhenschichtlinien, son dern sind auf Grund der stark ausgepräg ten Landschaft ineinander verzahnt. Sehr scharfe und deutliche Vegetationsgrenzen sind an markante geomorphologische Gren zen gebunden, wie etwa zwischen den Steilhängen und dem Plateau am Stein, zwischen der Hochfläche und den Resten der durch rückschreitende Erosion ver schmälerten Altflächen und zwischen den Hängen und den tertiären Landoberflächen des Zentralen Kargebirges. Zum Abschluß sei auch auf eine botanische Arbeit hingewiesen, zu der H. Kinzl die Anregung gab. Es sollte eine zeitliche Ein ordnung der Moränen des Dachsteins auf botanischer Grundlage erfolgen. Zu diesem Vorhaben konnte V. Vareschi (1959) ge wonnen werden, ein ausgezeichneter Ken ner der hochalpinen Flora. Bei Verfolgung pädagogischer Grundsätze ließe sich für den Nichtbotaniker das Untersuchungsergebnis vereinfacht darstellen. Mit nur geringer Artkenntnis von Pflanzen wäre eine klare Unterscheidung der rezenten Moränen möglich: Moräne von 1920: Wenige Einzelpflanzen auf Lockerschutt, 31 Arten, keine Flech ten. Moräne von 1850: Viele Blütenpolster und Weidenspaliere auf Ruhschutt, 51 Arten. Moräne von 1600: Polsterseggen und Ge steinsflechten auf Zerfallschutt. 83 Arten. Eine Gegenüberstellung der Pionierpflanzen auf den Kalkmoränen des Dachsteins mit der Vegetationsentwicklung auf Silikat schutt ließ erkennen, daß die Bodenreifung bei den Moränen des Dachsteins 25 bis 200 Jahre später erfolgte. Die Besiedlung der Moränen mit basiphilen Zwergsträuchern tritt im Dachstein um 20 Jahre, das Auftreten der Zwergweiden um 25 Jahre und die Entstehung eines RhodoretoVaccinietums (Alpenrosen-Heidelbeerge sellschaft) 100 bis 200 Jahre später ein als auf den gleichaltrigen Moränenböden im Kristallin. Die Flora des Dachsteinmassivs läßt noch einen breiten Raum für die Forschung of fen. Es ist äußerst reizvoll, wenn man in wenigen Stunden von den Kulturböden in Tallage durch den Bergmischwald, durch die Nadelwaldzone, durch den Krummholzgür tel zur hochalpinen Polsterseggenstufe und zu den Pionieren der Gletschervorfelder und der Gipfelregionen aufsteigen kann. Von den relativ üppig wachsenden Pflanzen in geschützter Position und auf gutem Bo den gelangt man in kurzer Zeit zu den optimal blühenden und fruchtenden Pionierpflanzen auf den mageren Böden nahe dem Eisrand. Dieser ständige Wechsel des Pflanzenkleides mit seinen verschiede nen Vertretern und deren besondere Aus sagekraft in bezug auf die Anpassung an den Standort, ist für den Menschen ein tiefes Erlebnis. Jede kleine Pflanze, wie etwa die winzig kleine und nahe dem Eis rand reich blühende Alpengemskresse (Hutschinsia alpina), als Teil der Schöpfung in das Naturganze organisch eingefügt und allen Funktionen des Lebens auf ihre Weise gerecht werdend, ermahnt uns, dieses Le ben nicht auszulöschen, es im Rahmen der Natur bestehen zu lassen und vorerst zu beurteilen, ob der Eingriff einen unwieder bringlichen Verlust für diesen Standort be deuten würde. Nur kraft unseres Geistes können wir die stillen und wehrlosen Ver treter des Pflanzenreiches vor Schaden be wahren, so einer sittlichen Haltung gegen über der Natur gerecht werden und damit dem Schütze der Natur aus Überzeugung dienen. Die Almen im zentralen Dachsteinstock Im Salzkammergut hört man oft von einer Almauflassung oder von einer zunehmen den Verschlechterung der Weideflächen. Almhöden sind jedoch in ihrer Zusammen setzung sehr verschieden und es ist daher abzulehnen, für das ganze Weidegebiet ein Pauschalurteil abzugeben. J. Schadler, H. Preißegger und B. Weinmeister (1937) haben im Bereich der Obertrauner Land friedalm Studien über Bodenbildungen auf der Hochfläche des Dachsteins durchgeführt und sind dabei zu interessanten Ergebnis sen gekommen. Alpine Böden sind zart und gegen Eingriffe sehr empfindlich, da die Oberkrume meist nur eine Dicke von weni gen Zentimetern besitzt. Das Weidevieh verletzt auf den Hangflächen die oberste Schichte und schiebt sie zusammen mit dem Untergund in kleinen Wülsten talwärts. So entstehen die Kuh- oder Viehgangeln als deutliche Zeichen der Beweidung. Roh humus- und Feuchtlehmhöden reagieren sauer, Kalkschutt- und trockene Moränenhöden neutral bis basisch. Dem Mineral bestand und Säuregrad des Bodens paßt sich nun die Vegetation an und liefert dem entsprechend saures oder süßes Futter. Be-

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