Oberösterreich, 20. Jahrgang, Heft 1, 1970

Eberhard Marckhgott Lorch— ein Mythos Aufnahmen; E. Widder Wurde nun durch die erfolgreichen Be mühungen der Fachwissenschaft, geschicht liche Tatsachen und Zusammenhänge auf zuklären, der Lorcher Mythos zerstört? Mythen sind Projektionen der Seele, Strah lungen aus dem kollektiven Unbewußten in Raum und Zeit, ungreifbar wie der Wind,der „weht, wo er will". Ist nicht der Genius an der Spitze des Ennser Stadtturmes ein treffendes Bild dafür? Er hat keinen Namen, die einen sagen zu ihm Jupiter, die andern nennen ihn Merkur. Er sollte nicht sein, denn der kaiserlichen Kanzlei in Wien war er damals 1568 als heidnisches Zeichen ein schweres Ärgernis; „Ein Abgott sei an Stelle des Kreuzes an die Turmspitze gesetzt worden ...!'" Aber der Protest gegen diesen Mythos war erfolglos. Er eilt noch heute den ziehenden Wolken entgegen und läßt sich vom brausenden Sturm nach allen Winden dirigieren. Dieser Genius verkündet allen, die sich unserer Stadt Enns nähern, daß diese ihren Lvctttet aütttMtrfäitt Oben; Malachiasfenster aus den vier Prophe tenscheiben um 1320 Unten; Blick in den Altarraum und Ostchor, Altarblock mit antikem Steinsarg. Sa'kramentshäuschen aus 1480 und 1486 Man ist versucht, nach diesen drei Worten ein Fragezeichen zu setzen und sich damit in die Phalanx der Entmythologisierer ein zuordnen, die sich nicht nur aus Theologen formiert. Gibt es denn heute noch den Mythos Lorch? Daß er vor hundert Jahren bestanden hat, bezeugt der Lambacher Stiftsarchivar Pius Schmieder in einem Beitrag zur obderensischen Kulturgeschichte: „Das ehrwür digste Denkmal der Verkündigung der christlichen Lehre in unserem Vaterlande ist nebst der Grabstätte des glorreichen Blutzeugen Florianus die St. Laurenzkirche zu Lorch bei Enns. An diese Kirche knüpfte sich seit Jahrhunderten gestaltungsreich die Sage . . Inzwischen hat sich aber die kritische Ge schichtswissenschaft um diesen Mythos angenommen und versucht, seine Ur sprünge und Wege aufzuhellen. Durch eine Glanzleistung der Archäologie konnten der römisch-heidnische Stadttem pel von Lauriacum und die frühchristliche Basilika des vierten Jahrhunderts sowie eine karolingische Kirchenanlage unter der St.-Laurenz-Kirche zu Lorch aufgedeckt werden^. Das Martyrium des pensionierten Amtsvorstandes Florianus und seiner Ge fährten in Lauriacum im Jahre 304 ist historisch kritisch erwiesen'^ und Severins Wirken in der Gemeinde von Lauriacum und seine Begegnung mit dem „pontifex huius loci" Constantius um 478 gilt als feststehende Tatsache''. Auch die These von Lorch als erster Hauptstadt der Bayern hat durch eine Pariser Handschrift der „Vita Haimhrami" des Arbeo von Freising eine solide Stütze'' und Bischof Pilgrims „Lor cher Fälschungen" haben eine sinnvolle und gerechte Beurteilung erfahren". ■ - ■ • -V.

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