Oberösterreich, 19. Jahrgang, Heft 1, 1969

mit den österreichischen Kulturleistungen in richtiger Form vertraut zu werden. Natürlich ist ein Platzkonzert der ört lichen Musikkapelle oder eine ländliche Hochzeit eine „Gaudi" und soll auch nicht versäumt werden. Die dauernde Ver bundenheit der Burgbewohner mit Marktbevölkerung und Gemeindevorstehung wird so ausgedehnt auf die jungen Gäste und ihr Besuch bei den verschiedenen Darbietungen und Attraktionen ist natürlich sehr willkommen. Daß einige Ausländer zweimal oder gar dreimal wiederkamen, ist ein Zeichen, daß der Kontakt ihnen gefällt. Da nun alle Räume in Verwendung stehen, kommt dies dem Mobiliar wieder zugute. Intarsierte Schränke, Tapisserien und Bilder müssen durch kunstvolle Restaurierung wieder zu neuer Wirkung gebracht werden. Ist auch das private Mäze natentum heute nur selten möglich, so gelingt es doch manchmal, Sammlungen durch einzelne Stücke zu komplet tieren oder Neues zu erwerben. Ist es doch eine der edel sten Beschäftigungen der Menschheit, in dieser Zeit der materiellen Orientierung des Alltags künstlerische Werte zu sammeln. In der Burg Clam, die in Kriegszeiten erfolgreich verteidigt, in Zeiten der Gefahr auch nicht verlassen wurde, spricht das Inventar beredte Sprache. Generation um Gene ration hat Stück an Stück gefügt und zu bestimmten Fami lienanlässen gestiftet. Genauso wie die Bäume ringsumher, mit den Generationen groß geworden, lebende Erinnerungen an die Vorfahren bilden, Naturdenkmale geworden sind, wie die tausendjährige Eiche unterhalb der Burg. Die dankenswerte Beratung und Hilfe des Bundesdenkmalamtes, der Landeskonservatoren und der Landesregierungen haben sicherlich viele Burgen und Schlösser vor dem Verfall bewahrt. Aber an erster Stelle muß immer die Privatinitiative vorhanden sein. Der österreichische Burgenverein wird auch weiterhin bemüht sein, die Interessen seiner Mitglieder zu koordinieren und nach außen zu vertreten. Nun haben wir also gesehen, daß auch heute noch aus dem Leben einer Burg kulturelle Ausstrahlung erfolgt und auch ohne falsch verstan dener Romantik der Lebensraum einer Burg als Stätte der Tradition und Ort eines „Europa-Gespräches" seine Funktion im 20. Jahrhundert voll erfüllt. Otto Wutzel Burgen-Denkmalpflege in Oberösterreich „Burgensterben" nennt sich eine Abhandlung von Walter Neweklowsky in den Oberösterreichischen Heimatblättern (Jg. 19/1965) und „Neues Leben für Burgen und Schlösser" ist der Titel eines Heftes der österreichischen Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege (Jg. 20/1966, Heft 2/3). Beide Formulierungen sind kennzeichnend für die Burgenkunde unserer Tage. Auf der einen Seite Resignation über den scheinbar unaufhaltsamen Verfall dieser historischen Archi tekturen und eindrucksvollen Akzente in der europäischen Landschaft. Auf der anderen Seite öptimismus, daß ein „neuer Verwendungszweck" gefunden werden könne. Beste Antriebskraft der Optimisten — ich bekenne mich zu ihnen — ist die viel zitierte, oft geschmähte und vielfach auch miß verstandene Burgenromantik, die keinen geringeren Ahn herrn als Goethe anführen kann (siehe seine „Novelle", erstmals gedruckt 1828 bei Cotta). Sie ist ein Erbe der lite rarischen und künstlerischen Romantik, die eine zeitlich und thematisch klar umrissene Kulturbewegung der Jahrhundert wende von 1800 war, in das zweite Dezennium des vorigen Jahrhunderts hineinreichte und dann in alle möglichen Le bensbereiche ausstrahlte. Diese Romantik darf nicht mit dem romantischen Lebensgefühl verwechselt werden, das es zu allen Zeiten gab und geben wird, solange Menschen abend ländischer Geistigkeit existieren. Die Burgenromantik ist al lerdings auch ein Teil dieses allgemeinen romantischen Le bensgefühls und gleichzeitig Folgeerscheinung der Romantik als Kulturbewegung. Der Verlust der Funktion als hauptsächliche Ursache des „Burgensterbens" ist eine bekannte und unbestreitbare Tat sache. Walter Neweklowsky führt in seinem zitierten Auf satz sechs Verfallsursachen an und reiht von 188 untersuchten Objekten 101 (also 53 Prozent) in die Gruppe „VI. nach Verlegung des Verwaltungssitzes dem Verfall überlassen oder abgebrochen" ein. Davon wurden wieder 85 in der Zeit des 16. bis 19. Jahrhunderts vom Verfall betroffen. Ebenso unbestreitbar ist die Notwendigkeit, für Burgen und Schlösser nach Verlust ihrer alten Funktionen neue Verwen dungszwecke zu finden, dies um so mehr, als man ein der art umfassendes Problem nicht mit „Subventionen" allein lösen kann und in Österreich eine so großartige Einrichtung wie der englische „national trust" wohl niemals möglich sein wird. Über diesen „neuen Verwendungszweck" werden nun seit Jahren Gespräche geführt. Der österreichische Burgen verein ist in dieser Diskussion sehr aktiv. Das Bundesdenkmalamt Wien bemüht sich um Rat und Hilfe. Es gelang ihm, 1965 das Gespräch auf eine internationale Plattform zu stel len, indem zwei einschlägige Tagungen nach Wien gebracht wurden — die Tagung des Europarates (Confrontation B) und die Tagung des Conseille scientifique des Internationalen Burgeninstitutes (IBI). Wie schwierig es jedoch ist, in diese Diskussion Methodik und ausgerichtete Praxis zu bringen, zeigen allein schon Formulierungen in einer Resolution dieser Wiener Tagungen. Darin wird u. a. ausgedrückt, daß eine „Wiederbelebung möglich ist, ohne daß der historische, künst lerische und malerische Wert Schaden nimmt". Bei Lektüre dieses Satzes muß man unwillkürlich an den Widerstand denken, der mancherorts gegen die Entfernung des Strauch werks von Burgenmauern erhoben worden ist. An anderer Stelle heißt es, daß „die Wiederbelebung darauf abziele, den natürlichen Rahmen und das würdige, ruhige und entspan nende Ambiente, das den Burgen und Schlössern als Einzel denkmalen gebührt, zu bewahren oder wieder zu gewinnen". (S. österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 1966 XX H. 1/2, S. 62.) Hier geht offensichtlich das roman tische Lebensgefühl zu weit. Vor allem muß sich der Histori ker dagegen wehren, daß man Burgen und Schlössern in erster Linie eine „ruhige und entspannende Ambiente" zuschreiben will. Sie hatten geschichtlich ganz andere Funktionen als „ruhig" und „entspannend" zu wirken, und auch heute kann man nicht aus allen Burgen und Schlössern Museen machen, sie also nur „museal" konservieren wollen.

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