Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Landesrat Dr. Erwin Wenzi Aufgaben der Raumordnung in Oberösterreich Die Nutzbarmachung und Gestaltung des Raumes im Dienste des menschlichen Daseins sollte sich in geregelten Formen und nach bestimmten Ordnungsprinzipien vollziehen. Das Gegenteil war und ist in Vergangenheit und Gegenwart weitaus häufiger der Fall. Solange einer kleinen Bevölkerungs zahl ein relativ großer Raum zur Verfügung steht, ergeben sich daraus kaum weitere Komplikationen. Bei wachsender Einwohnerzahl und fortschreitender technischer Entwicklung werden jedoch im Laufe der Zeit immer größere Teile des Raumes zum Zwecke seiner Nutzimg beansprucht, und schließ lich kann sich ein Mißverhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Raum — generell oder in Teilbereichen — ergeben, das zu erheblichen Spannungen führt. Diese Spannungen werden auch in Oberösterreich immer mehr fühlbar. Denn das Ausmaß der räumlichen Unordnung wächst und hat seinen Höhepunkt offensichtlich noch nicht erreicht, wenngleich es sich in einer ganzen Fülle von Erscheinungen bereits deutlich offenbart: Verschmutzung der Gewässer, un gesunde Lebensbedingungen durch Staub-, Gas- und Lärm entwicklung, Verkehrsengpässe, Versiedlung von Erholungs flächen usw. Daraus ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, regulie rend einzugreifen und den in Unordnung geratenen Raum sinnvoll zu ordnen; darüber besteht allerorts Einhelligkeit. Das Problem dabei ist das „Wie und Wo anfangen". Man kann es mit der Methode des „Lückenstopfens" versuchen und überall dort Abhilfe schaffen, wo gerade ein Teil der räumlichen Unordnung besonders unangenehm empfunden und lautstark kritisiert wird. Aber damit kann man auf die Dauer nicht das Auslangen finden. Die Forderung nach einer überlegten Ordnung unseres räum lichen Daseins wird daher immer lauter. Die sinnvolle Ent wicklung unserer Kulturlandschaft ist eine der aktuellsten Fragen der Gegenwart geworden, denn der Raumbedarf des einzelnen und der Allgemeinheit wächst seit der industriellen Revolution ständig und nimmt im Zeichen des Wohlstandes weiter zu. Ein Ausgleich zwischen den konkurrierenden, oft gleichermaßen lebenswichtigen Ansprüchen an den Lebens raum ergibt sich nicht von selbst, sondern ist nur durch eine Einordnung in die Gesamtinteressen der Gesellschaft zu er reichen. Dieses Ein- bzw. Unterordnen von Einzel- und Gruppen interessen in das gesamtgesellschaftliche Anliegen bereitet jedoch große Schwierigkeiten. Nicht selten werden deshalb die Raumordnung und die damit verbundene Landesplanung als autoritäre Maßnahmen kritisiert. Das Wort Planung wird vielfach schlechthin als Werkzeug totalitärer Staaten und der Demokratie wesensfremd bezeichnet. Dies ist jedoch ein eben so weit verbreiteter, wie leider schwer zu bekämpfender Irr tum. Hochentwickelte Demokratien wie England, die Nieder lande usw.,in denen der Lebensraum erheblich knapper ist als bei uns, haben Raumordnungskonzepte und Planungsmaß nahmen, die in manchen einschneidender und verbindlicher sind als in totalitären Staaten. In einem zentralistischen Staat sind sicherlich die Probleme der Raumordnung leichter zu lösen als in einem Staat mit einem föderativen Aufbau wie z. B. in Österreich. Es soll bei Wahrung der Länderrechte ein Konzept für das gesamte Staatswesen erstellt werden. Ja, dies ist eigentlich bis zu einem gewissen Grad eine Voraussetzung. Denn die Raumordnungs konzepte der Länder sollten sich doch auch an diesem Bundes konzept orientieren können. Und hier beginnt die erste große Schwierigkeit der Raum ordnung in Oberösterreich. Es fehlt ein bundeseinheitliches Konzept, weil die Entwicklung der Raumplanung des Bundes weit hinter den Ländern zurückgeblieben ist. Ohne ein der artiges Gesamtkonzept kann jedoch ein Landesentwicklungs plan, besonders in Grenzgebieten zu anderen Bundesländern - etwa im Raum Enns/St. Valentin —, nur sehr schwer er stellt werden. Es soll damit keineswegs das Fehlen eines Landesentwicklungskonzeptes für Oberösterreich entschuldigt werden. Zv>'eifellos fehlt ein solches Leitbild in Form eines konkret ausgearbeiteten Planes derzeit noch für unser Bundes land. Aber ein noch so gut ausgeklügeltes Entwicklungskonzept bleibt so lange totes Papier, als nicht die nötigen Instrumente zu seiner Realisierung zur Verfügung stehen. Hierzu gehören erstens die Grundlagenforschung, die als Raumforschung oder auch als Landesforschung bezeichnet wird, und zweitens die verschiedenen regionalen Stufen der Raumplanung als fach liche Vorbereitung konkreter Maßnahmen. Die Raumplanung wird je nach ihrer regionalen Stufe als Landesplanung, Regionalplanung, Gemeindeplanung (Stadtplanung und Orts planung) bezeichnet. Auf dem Gebiet der Grundlagenforschung braucht Ober österreich keinen Vergleich mit anderen Bundesländern zu scheuen. Die meisten Bundesländer verfügen nicht annähernd über jene fundierten Strukturanalysen des Landes und seiner Teile wie Oberösterreich. Auch auf dem Gebiet der Gemeinde planung zählt Oberösterreich zu den führenden Bundes ländern, wenngleidi es auch hier noch eine Menge zu tun gibt. Was in Oberösterreich derzeit noch fehlt, sind übergeordnete verbindliche Regionalplanungen und diese wiederum zu sammengefaßt zu einem Landesentwicklungskonzept. Ein der artiges umfassendes Konzept ist jedoch nicht von heute auf morgen zu schaffen. Dazu bedarf es eines entsprechenden Reifungsprozesses, der Hand in Hand gehen muß mit einem Reifungsprozeß im Bewußtsein der Bevölkerung selbst. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Raumordnung ist die positive Einstellung der Bevölkerung und ihrer politischen Repräsentanten zur Ordnung des Raumes im gesamtgesell schaftlichen Nutzen. Es ist sehr einfach und bequem im nega tiven Falle — nämlich wenn Einzel- oder Gruppeninteressen eingeschränkt werden — die Schuld auf die „übergeordneten Instanzen" abzuschieben, im positiven Falle — bei Gelingen einer Intervention — sich als Held feiern zu lassen. Die Ord nung unseres Lebensraumes ist nicht nur eine Aufgabe, die „von oben" durchzuführen ist, sondern sie setzt auch eine positive Grundeinstellung der Bevölkerung dazu voraus. Ohne eine solche Haltung wird auch das beste Entwicklungskonzept nicht zu verwirklichen sein, weil es durch mehr oder minder massiven Druck zunächst an zahlreichen Stellen durchlöchert und letztlich zu Fall gebracht wird. Eine der wesentlichsten Voraussetzungen — um nicht zu sa gen d i e wesentlichste Voraussetzung — einer Raiunordnung in Oberösterreich ist deshalb die Aufklärung und Beein flussung der Bevölkerung im Sinne einer positiven Einstellung zur Raumordnung. Diese Raumordnung soll und darf nicht im Sinne einer möglichst umfassenden staatlichen Regelung aller Lebensbereiche verstanden werden, sondern als Ver such eines Ausgleichs zwischen Einzelinteressen und den Interessen des Gesellschaftsganzen. Kurz auf eine Formel gebracht: Soviel Freiheit als möglich und soviel Planung als nötig.

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