Oberösterreich, 15. Jahrgang, Heft 3/4, 1965

Otfried Kastner Besuch bei Hanns Kobinger Es ist das oberste Häuschen ganz nahe am Rande des fels durchsetzten Gebirgswaldes, in dem der Maler mit seiner Frau (zwei geliebten Katzen und zwanzig Hühnern) einge kramt, doch nicht einsam, haust. Denn selbst im tiefen Winter kommt immer wieder irgendwer den schmalen Steig durch den hohen Schnee hinaufgestapft, um den Künstler zu besuchen. Der Blick von dort oben ist überwältigend. Man befindet sich in der ZIaim, im Herzen des steirischen Salzkammergutes, unweit des Grundlsees. Die Kargheit des Bodens gleicht die Natur mit einer Fülle stets wechselnder Schönheit aus, während die Sonne das Jahr hindurch über das Gebirgsland steigt, in feurigem Föhnhimmel donauschulhaft verglüht oder hinter mausgrauer Schneewolkenwand versteckt bleibt. Aus dem Fenster vom hölzernen Balkon geht frei der Blick in ein schönes Land, doch seine Freunde entführen ihn oft, und dies erklärt, daß sein Oeuvre viel weiter ausgestreckt ist, als man es bei einem Mann, den man vor ein paar Jahren anläßlich seines siebzigsten Geburtstages im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz eine sehr gut aufgenommene Ausstellung einräumen konnte, erwarten würde. Wie groß, wie vielseitig, ja wie polar es ausgespannt ist, dessen wird man sich erst voll bewußt, wenn man nicht nur Stunde um Stunde, sondern mehrere Tage die Stöße von farbigen Blättern, Zeichnungen und Schnitten durchblät tert, wenn man die vielen Skizzen sieht, die oft nur schnell auf einer Kühlerhaube gezeichnet wurden, während die Begleiter geruhsam zu Mittag speisten. Landschafter sind II ■! i :Jm heute ganz selten geworden, es ist kein Vergnügen, bei eisiger Kälte im Freien zu schaffen oder im sommerlichen Moor sich von Gelsenschwärmen überfallen zu sehen. Obwohl Kobinger gesundheitlich immer wieder anfällig wird, ist er unentwegt an der Arbeit. Diese Arbeit ist sein Leben. An seinen Schnitten schafft er bis tief in die Nächte hinein. So steht er, wenn Gäste kommen, nie mit leeren Händen da. Selbst die nähere Umgebung um den Archkogel, auf dem er lebt, mit Berg- und Waldlandschaft, mit Hochwiesen und See spiegel im Wandel der Gezeiten bleibt für ihn unausschöpflich. Wenn er auch immer wieder erklärt „Ich weiß ja nichts mehr", so begleitet er seine Schätze Blatt auf Blatt mit seinen von der Macht der Erinnerung durchpulsten Erlebnissen. So versieht er Landschaften, Stilleben, Blumen unermüdlich mit den Legenden seines reichen Lebens. Leider hat er von früheren Schaffensperioden — wie etwa Ostpreußen — oft nur ganz wenige Blätter retten können. Dafür sind Italien, der Balkan, die Schweiz, Tirol, Steiermark, Burgenland und von Oberösterreich neben dem Salzkammergut und dem Hausruck sein geliebtes Mühlviertel besonders gut vertreten. Das Porträt ist nur in Selbstbildnissen vorhanden, auch hier an Stelle langer Tagebuchnotizen. Seinen Freunden dagegen saß er sehr oft zum Porträt. Wäh rend mancher Betrachtung kommt der Künstler gerne auf seine Lehrer zu sprechen. Wie so viele Linzer, nennt auch er die Kunstschule Matthias May an erster Stelle, doch er ver weilt ebenso lange bei Professor Dr. E. Hofmann, Linz, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet, so daß sich dessen Entwicklung aus den alljährlich getauschten Blättern mühelos ablesen läßt. Ihm, so betont er immer wieder, ver danke er die Grundgesetze. Wohl auch im Ausgleich der ver schiedenen Temperamente war der Ältere für Kobinger wich tig. Auch mit Oskar Laske muß, so kann man aus den humor vollen, von Einfällen strotzenden Blättern und Briefen mit mehr Illustrationen als Text schließen, ein ganz reizendes Verhältnis über viele Jahre bestanden haben. Ganz besonders verehrt dürfte Kobinger Carossa haben, dessen Bild, von Briefen umrahmt, in seinem Arbeitszimmer hängt. Kobinger war bei der Gründung des „Ring" dabei, er hat mit Hofmann in begeistertem Einsatz um den jungen (1920) „März" gekämpft, er ging in diesen fernen Linzer Jugendtagen im Theater ein und aus und mimte Schubert, wozu er kaum geschminkt zu werden brauchte. Das Gespräch muß sich auch seinen zahlreichen Schülern zu wenden, unter denen wir z. B. Prof. Ude finden, da wir auf einen Pack stoßen, der Gedenk- und Geschenkblätter in beträchtlicher Zahl aufweist. In einem anderen Rahmen — der Lehrer ist nun ganz in ihm erwacht — werden nun die Blätter von ihrer Technik her vor gestellt. Es muß auffallen, daß er kein einziges Ölbild gemalt hat, er ist dem öl geradezu feind, wie etwa der Überschätzung der abendländischen Perspektive. Wenn er öl verwendet, dann nur mit rektifiziertem Petroleum stark verdünnt, und den Raum in seinen Linolschnitten schafft er sich allein aus Überschneidungen. Seine Bilder sind so weithin aus der Spannung heraus gebaut, das gibt seinen Schnitten die sichere Statik, die Unverrückbarkeit der Klassik, immer wieder wer den gewisse Linien gleichsam zu (geheimen) Trägern der Komposition. Das erklärt die prachtvolle vitale Statik der Blätter Kobingers. Das macht den einen Pol seiner Kunst aus. Blumenstilleben, Linolschnitt

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