Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Erker, der in die Hofgasse hinübergreift. Mit dem Markus löwen aus rotem Marmor, auf den sich die Muschel stützt, wurde der Schönheit dieses vieleckigen Erkers eine zusätz liche, wohl aus venezianischem Geist geborene Zier zuteil. Aus der Altstadt, der Straße nämlich, auf die sich heute dieser Name beschränkt, grüßte mir das Kremsmünsterer Stiftshaus mit den turmhaft wirkenden Gestalten seiner beiden, von Zwiebelhelmen anheimelnd überdachten Erker zu, bevor ich dem steilen Aufstieg der Hofgasse auf dem schmalen Stufenweg folgte, der vor den aufwärts drängenden Häusern der rechten Zeile angelegt ist. Als ich bei dem letzten Haus der Gegenzeile meinen Schritt verhielt, stand ich wiederum vor einer Stätte der Erinnerung an einen Auserwählten. Eine Gedächtnistafel erzählt von der Ge schichte des einstmals Jörgerschen Freihauses, das vom frühen siebzehnten bis hoch ins achtzehnte Jahrhundert der kaiserlichen Landkanzlei als Unterkunft gedient und später der Normalschule, an der auch Präparandenkurse für Lehrer eingerichtet waren, Raum gegeben hat. Als Zögling eines solchen Kurses ging Anton Bruckner im Morgenglück der sechzehn Lenze, die er damals zählte, durch das hohe Tor des alten Hauses ein und aus. Da mag er wohl zuweilen die Stufen der breiten Steintreppe, mit der die Hofgasse endet, emporgestiegen sein, bis sich ihm die wunderbare Sicht auf ein Stück der Linzer Stromlandschaft geöffnet hat. Und wenn er dann die Stiege wieder hinabeilte, um durch die Schlucht der Schloßberggasse, wie die obere Hofgasse in jener Zeit geheißen hat, den Heimweg in seine Herberge in der Pfarrgasse zu nehmen, konnte er über dicht gedrängten Dächern die Türme des Alten Domes aufragen und wie ein flüchtiges Traumbild wieder untertauchen sehen. Und in solchen Augenblicken mag ihn eine Vorahnung überkommen haben, daß er einst in diese Kirche einziehen werde, um als schöpferischer Meisterspieler ihrer Orgel Gottes Herrlichkeit zu preisen. Nun aber schreite ich selbst längs der hohen, granitgewal tigen Vorwerksmauer, an die das alte Landkanzleihaus stößt, die breite steinerne Stiege empor, gebe mich selbst dem faszinierenden Donaublick hin und erreiche über letzte verschmälerte Stufen den Vorplatz des Schlosses, dessen monumentales,„ Rudolfstor" genanntes Ostportal mich immer wieder durch die Farbenpracht des von der Kaiserkrone überglänzten Wappenbildes im gesprengten Giebel zu fest licher Empfindung stimmt. Zwei Erinnerungstafeln im tonnengewölbten Tordurchgang berichten dem Fremden, was jeder heimatkundige Linzer weiß, daß nämlich aus dieser Burg - in meinen Jugendjahren hörte ich, wenn von ihr die Rede ging, nur den Namen „Schloßkaserne" nennen - die Söhne des Landes und der Stadt zum Schutz der Heimat ausgezogen sind, und daß nach dem großen Brand des Jahres 1800 - dies besagt die zweite Tafel - von dem herrlichen Renaissanceschloß, in das Rudolph II. die alte Friedrichsburg verwandelt hatte, nur ein Torso übriggeblieben ist. Dieser Torso aber ist noch großartig genug, um den stolzen Namen „Linzer Schloß" tragen zu dürfen, dessen er nach seiner glanzvollen Erneuerung wieder vollends wür dig geworden ist. Mit der Würde der äußeren Er scheinung verbindet sich eine innere, seit das Oberöster reichische Landesmuseum mit einer repräsentativen Auswahl seiner Kunstschätze und kulturkundlichen Sammlungen in die bedachtsam umgebauten Räume des Schloßgebäudes eingezogen ist. Die Eröffnung des Schloßmuseums am 8. Juni 1963 war ein hohes, von mir so freudig miterlebtes Fest für meine Vaterstadt, daß ich diesen Tag zu den denk würdigsten meines eigenen Lebens zähle. Seither bin ich schon oft, wenn ich in den großen Haupthof eingetreten war, die Stiege zu dem Arkadengang empor geschritten, der ins Schloßmuseum führt, und habe in dem und jenem seiner Säle Stunden lebendiger Vertiefung in die Geschichte meiner Stadt und meines Landes, zugleich auch Stunden herzerfreuender Besinnung auf die reichen Werte heimischen Kultur- und Kunstgutes erlebt. Auch heute wieder ließ ich mich von der wohltuend ruhigen Atmosphäre der Museumsräume umfangen. Und wieder suchte ich auch die Nordterrasse des Schlosses auf. Die neue Schloßgaststätte - wenn ich das Museumsbuffet so nennen darf- läßt den Blick weiterhin nach Norden wandern. Ich trat an die Brüstung der Mauer, die den aufgestuften Raum der Terrasse gegen die Steilabstürze des Schloßberges hin abschließt, und gab mich der überwältigenden Schau auf den Lauf des Stromes und den ihn begleitenden Zug der waldgekrönten Hügel hin, mit denen das Granithochland des Mühlviertels an die Donau vorrückt. Sich in seiner ganzen feierlichen Breite zeigend, beherrscht der Pöstlingberg, zu dessen Hängen die Häuser des immer größer wachsenden Stadtteiles Urfahr hinaufziehen, das weit aus greifende Landschaftsbild. Von der Höhe des landberühmten Aussichtsberges grüßt die alte Wallfahrtskirche, des einen ihrer schlank behelmten Türme durch das Unglücksfeuer vom letzten Maitag dieses Jahres halb beraubt, auf Stadt und Strom herab. Über den Kamm des Waldberges, dessen Westhang in das Dießenleitental abfällt, ließ ich meinen Blick hinaufschweifen nach der hohen Kuppe des Lichtenberges, zu der ich im Laufe meines langen Lebens schon ungezählte Male empor gewandert war, um auf der Giselawarte die beglückend weite Landschau, mit der sie das Ersteigen ihrer Plattform lohnt, immer wieder als ein Fest der Augen und des Herzens zu erleben. Auch der Breitenstein, der felsdurchsetzte Gipfel überm Schauerwald, rückte in mein Blickfeld und ließ mich nach Kirchschlag, dem sti llen Bergdorf suchen, das zu seinen Füßen liegt, nachsinnend noch den großen Zeiten, da es mit dem Balsam seiner würzigen Waldeslüfte und dem heilsam klaren Wasser seiner tiefen Quellen dem alternden Adalbert Stifter letzte Schöpferkraft geschenkt hat. Und all die anderen Höhen auch, die jenseits des Hasel grabens - als tiefer Einschnitt in das Waldgebirge war er von meinem Standplatz zu erkennen - mit Linien voll ge heimer Melodie am Horizont hinschwingen, überwanderte mein Blick, vom ernsten Grün der Wälder angeträumt und erquickt vom heiteren der Wiesen, rastend vor Gehöften auf Kuppen und auf Hängen und zu den Wolken sich erhe bend, die mit dem festlich weißen Leuchten ihrer wechselnden Gestalten das Glück der schönen Landschaft mitzufeiern schienen. Der Pfenningberg, nur sichtbar mit dem sich gegen Katzbach senkenden Hang, grenzt die Schau nach Osten ab. Ich ließ meinen Blick zurückkehren und der Fahrt eines Fracht schiffes folgen, das zwischen den zwei Linzer Brücken mit der Last seiner Schleppkähne stromaufwärts stampfte. Über den dichten Laubkronen des Donauparkes, an dem es langsam vorüberzog, sah ich das hohe Mansarddach der einstigen Wollzeugfabrik und späteren Fabrikskaserne auf61

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