Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Wohl vom mundartlichen Volkslied her hat Hans Gielge zur Mundartdichtung gefunden. Er ist der dichtende Lehrer und Heimatkundler, der 1901 in Gramastetten geboren wurde. Auf heimatkundlichem Gebiet liegen demnach auch die Themen seiner Gedichte, eher balladenhaft breit aus geführt als knapp und kurz. Sein erstes Mundartbuch „Dalebt und niedageschriebm" 1960 beweist uns dies. Seine zweite Veröffentlichung in dieser Richtung nennt er „Liebe, schöne Bergheimat" 1962, und sie enthält neben Gedichten auch Lieder und Jodler vom Autor. An Gehalt steht es entschieden unter dem ersten, auch wenn es Notenzeilen und Noten enthält und von der ersten bis zur letzten Seite in vom Autor eigenhändiger „graphischer Form" gestaltet ist. Wir lesen ja zudem im Vorwort, daß diese Musenkinder „keinen Anspruch aufkünstlerische Vollendung" erheben. Der „jüngste" Mundartdichter - heute auch nicht mehr an Jahren der jüngste -, der mit Lyrik vor die Öffentlich keit getreten ist, ist Theodor Renzl, der aus Handenberg im Bezirk Braunau stammt und hier 1923 geboren wurde. Obwohl er in der Landeshauptstadt Salzburg als Beamter seinen Dienst versieht, ist er beinahe fanatisch bestrebt, vor allem die bäuerliche Jugend eine gesunde Tradition des Althergebrachten zu lehren. Daher sammelt er seine Stoffe aus dem Volkstum der Heimat und bringt Gedanken in seine Gedichte, die Allgemeingültigkeit beanspruchen dür fen. Er bietet sie uns in den beiden Lyrikbüchern „Hoamatliab" 19.51 und „Frohe Eintracht" 1962. AUSBLICK Die hohe Kunst der oberösterreichischen Mundartdichtung der Vergangenheit reicht ihre Blüten und Früchte herüber in die Gegenwart. Wir zehren von ihnen. Wir stehen aber allzu sehr im Bann der alten Meister und übersehen dabei, uns um einen guten und würdigen Nachwuchszu kümmern. Junge Talente, wie wir sie in der hochdeutschen modernen österreichischen Dichtung kennen, hat die oberösterrei chische Mundartdichtung kaum zu verzeichnen. Wohl finden wir sie in den Nachbarbundesländern mit besseren Ansätzen. Es liegt daher durchaus im Bereich der Möglich keit, daß der Primat der guten Nachwuchs-Mundartdich tung in gar nicht allzu ferner Zukunft dem klassischen Land der Mundartdichtung streitig gemacht werden kann. Vöcklabruck und die Mundartdichter Franz Stelzhamer, Rudolf Jungmair und Otto Jungmair Die schöne, alte .Stadt Vöcklabruck mit ihren ragenden Stadttürmen, mit der im Hintergrund mächtig aufwuchtenden Kirche zu Schöndorf und mit der weiten Kette der Alpen mit dem Traunstein, dem Wahr zeichen Oberösterreichs, war zu allen Zeiten auch eine Stätte musischer Geselligkeit und heimatlicher Kunstpflege. Im vergangenen.Jahrhundert war es vor allem neben der 1850 gegründeten „Liedertafel Vöcklabruck" die im Jahre 1855 entstandene musische Gesellschaft von Künstlern und Kunstfreunden „Paixhanslia", die das kulturelle Leben der Stadt trug. Martin Braun war durch Jahrzehnte ihr Leiter, dem die Rechtsanwälte Dr. Scherer und Dr. Schmolzer zur Seite standen. Dort war bei seinen häufigen Aufenthalten in Vöcklabruck auch Franz Stelzhamer als nam haftes „Luckenmitglied" ein gern gesehener Gast und Vortragender seiner Gedichte. Die beiden MalerJosef Wallhamer und Alois Blumauer, beide ebenfalls Gesellschaftsmitglieder, verewigten den Piesenhamer in dem bekannten großen Gemälde „Stelzhamer unter dem blüahradn Kerschbäm", bei dem Wallhamer das Porträt und Blumauer den Natur hintergrund schuf. Stelzhamers bekannter Vierzeiler aus seinem Epos von der „Königin Not", die weitverbreiteten Verse von der „Lustigen Eicht" waren, von dem damaligen Chormeister der „Liedertafel Vöckla bruck", Anton David, in Musik gesetzt, das oft gesungene Motto der „Paixhanslia". Die enge, treue Verbindung zwischen der Gesellschaft und dem Dichter zeigte sich besonders auch, als die „Paixhanslia" anläßlich der Taufe des jüngsten Kindes Stelzhamers, der kleinen Roserl, die Patenstelle für den Täufling übernahm. Glanzvoll und zahlreich besucht war die von der ,,Paixhanslia" veranstaltete Feier zum 70. Geburtstag des Dichters am 28. Dezember 1872, bei der für Oberösterreich Vöcklabruck der von weit und breit besuchte Festort war. Ein Fackelzug der Feuerwehr Schöndorf, der Liedertafel und der Bürgermusik leitete das Fest ein, bei dem Stelzhamer mit Glückwünschen aus nah und fern, Ansprachen und Ehrengaben der umjubelte Mittel punkt war. Die „Paixhanslia" verlieh dem Dichter die Ehrenmitglied schaft. Die Gesellschaft, die Liedertafel und die Stadtverwaltung be gleiteten den Dichter auch auf seinem letzten Weg auf dem Friedhof zu Henndorf, als der ruhelose Wanderer am 16. Juli 1874 zu Grabe getragen wurde. Zu den beliebtesten „Luckenmitgliedern" der ,,Paixhanslia" und zu den Gründern der ,,Liedertafel Vöcklabruck" gehörte auch mein Groß onkel, der in Vöcklabruck als politischer Beamter ansässige Mundart dichter Rudolf Jungmair, dessen heitere, die Volkstypen seiner Zeit zeichnenden Dichtungen und humorvollen Vorträge viel bejubelt wurden. Seine heiteren Vorträge fehlten bei keiner geselligen Veran staltung der Stadt. In Vöcklabruck schloß er auch den Lebensbund mit seiner treusorgenden Gattin. Der ausgezeichnete, leider heute fast vergessene akademische Maler Jo.^ef Wallhamer schuf auch von Rudolf Jungmair eine große Bleistift zeichnung, die den Dichter als Vortragenden zeigt, und ein Ölporträt; beide Bilder befinden sich heute im Heimathaus der Stadt Vöcklabruck, wohin ich als Erbe auch den noch erhaltenen Nachlaß des Dichters übertrug. Rudolf Jungmair fand, als ihn nach einer fröhlichen Weihnachtsfeier der Liedertafel, bei der er noch vortrug, unverhofft der Tod ereilte, seine letzte Ruhestätte auf dem schönen Friedhofzu Schöndorf. Die Stadt und ein unter der Leitung des Herausgebers seiner Dichtungen und Verfassers seiner Biographie, des um die Heimatpflege hochver dienten Schulrates JoAann Rauch, stehendes „Jungmair-Comite" widmeten dem Dichter ein Grabmal und ein Ehrengrab. Dieses war von einer großen Traueresche, deren Zweige bis auf die Erde reichten, über schirmt, und man stand vor dem Grab wie im Inneren einer grünen Kapelle. Als der Baum alterte und seine Wurzeln das Grab sprengten, wurde die Grabstätte an die niedere Friedhofsmauer verlegt, über die nun der Traunstein, der Lieblingsberg des Dichters, hereingrüßt. Die Einsegnung des neuen Ehrengrabes besorgte noch der unvergeßliche Hofrat Dr. Franz Berger nach einer von ihm in der Schöndorfer Kirche zelebrierten Festmesse. Die Stadt hat auch eine Straße nach Rudolf Jungmair benannt. Damals und bei der Wiederkehr seines 120. Geburts tages, wie auch kürzlich anläßlich des 150. Geburtstages des Dichters veranstalteten die Stadt, die Liedertafel, Heimathaus und Volkshoch schule großzügig gestaltete Gedenkfeiern, bei welchen ich, der Enkel, eingeladen wurde, seine und meine Dichtungen vorzutragen. Seither fand ich mich wiederholt in der Volkshochschule Vöcklabruck und den örtlichen Schulen zu Dichterlesungen ein und gewann die Träger der heutigen Kulturarbeit in Vöcklabruck: in der Liedertafel, der heute noch bestehenden „Paixhanslia", dem Heimatliaus und der Volkshoch schule zu lieben persönlichen Freunden. Als die Vöcklabrucker Ferialkurse der oberösterreichischen Lehrerschaft im Jahre 1947 eine Studien fahrt zum historischen Flelmbrechthof nach Gilgenberg ins Innviertel unternahmen, ersuchte mich der damalige Landesschulinspektor Hofrat Dr.FranzBerger,ein Volksspiel überden Maier Helmbrechtzu schreiben, welches ich ihm in wenigen Wochen als mein seither in Oberösterreich viel aufgeführtes „Spiel vom Helmbrechtmoar" lieferte. Die Erstauf führung fand am 28. August 1947, von einer Lehrerspielgruppe gespielt, in Eggeisberg vor der dortigen Kirche statt, rund 300 Lehrer und viele Ortsbewohner nahmen daran teil. Am nächsten Tag erlebte das Spiel seine öffentliche Erstaufführung im großen Pfarrmaierhof zu Vöckla bruck vor 1000 Besuchern bei nächtlicher Fackelbeleuchtung. Und seither wurde auch mein Helmbrechtspiel wiederholt in Vöcklabruck wiedergegeben. Wie Menschen uns im Laufe des Lebens ans Herz wachsen,so verbinden sich durch Tradition und eigenes Erleben auch Städte und Örtlich keiten unserem Herzen. Und so ist mir die Stadt Vöcklabruck und seine kulturell so aufgeschlossene Bevölkerung wie eine seelische Heimat ans Herz gewachsen, und ich darf beglückt auch annehmen, daß diese meine Liebe zu der Stadt keine einseitige ist. Otto Jungmair 50

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