Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

gleichsam zum Dichter seiner Bilder wird oder die Landschaft übt gar geheime Schauer aus, dem feinstfühligen Karl Kleinschmidt etwa wird sie zu einem „Riesen", und es ist ihm, als blickten ihn ausjedem Busch, ausjedem Wipfel „unsichtbar große, tiefe, runde Augen an".- Ob die Land schaft aber nun, wie es an sich naheliegt, in einer konkreten Bestimmtheit geschildert wird - etwas, das aber in der deutschen Literatur noch nicht gar sehr lange geschieht, noch die Landschaften Eichendorjfs sind recht verschwom mener Art -, hängt natürlich von Stimmung und Thema, von der Beobachtungsgabe des Autors, von seiner zyklothymen Komponente ab. Gelegentlich genügt es, wenn etwas wie eine gesamtösterreichische Atmosphäre an Stelle einer ganz konkreten spürbar wird, wie dies die Art Bayrs ist, mitunter auch die Eisenreichs, Piihringers, der Elisabeth Bachlechner; oder es wird eine gleichsam oberösterreichische Gesamtlandschaft genommen, wie des öfteren bei Baumgärtel, auch, bei all seiner Fähigkeit zur Beschreibung des unverkennbar Einzelnen, bei Turnier, und auch der poetische Hintergrund bei Sitta Kleinschmidt ist kein anderer. Die gesammelte Kraft des Innviertels vertritt wie verkündet in all seinem Schaffen des Landes wesensstärkster Dichter, Richard Billinger, in dem Urkräfte aufwuchsen zu Ursymbolen. Ungeachtet des altersbedingten Stagnierens der letzten Jahre: noch immer gehört Billinger mit seinen nach Baum und Blick, nach Erde und Acker, nach Frucht und Korn heilig-üppig duftenden, bildstarken Gedichten zum großen lyrischen Ausdruck unseres Landes. Der Ein fluß sowohl Billingers wie der Innviertier Landschaft wirkt sich auch im Schaffen Linus Kefers aus. Das Hausruckviertel lebt im Gesänge Hans Reinthalers mehr noch als in Karl Itzingers Szenenfolge vom „Frankenburger Würfelspiel". Stifter hat diese Gegend einst geliebt; etwas von diesem Stifter-Sinn für die schöne, ernste Landschaft zeigt sich, in poetischer Ergiebigkeit, in dem Buch, das Karl Kleinschmidt an sich der Brauerei Zipf, darüber hinaus aber dem ganzen weiten Lande dort geschrieben („Erbe und Wachstum"). Eine der eigentlich dichterischen Landschaften aber ist das von starken und stillen Kräften durchwobene Mühlviertel geworden. Hier künden wilde Granite von Wucht und Bewegung, hier rauschen die Wälder die herrliche Sprache des großen Schweigens, hier erlebte Julius ferzer an Baum und Wolke, an Hügel und Fels die Dynamik des „Dramas der Landschaft", hier versinnt sich Carl Martin Eckmair, hier kommen einem Egon Hofmann seine poetisch-male rischen, malerisch-poetischen Bilder, hier gab Hermann Friedl mitunter allzu getreue Konterfeis der Menschen. Linz selbst, die liebe alte Stadt von einst, ist in ihrem Reiz von ehedem wie in der überschnellen Entwicklung von heute zur modernen Groß- und Industriestadt Nährboden ebenso romantischer wie sach- und zeitverbundener Poesie. Billinger läßt in einem (noch unaufgeführten) Festspiel auf Linz Austria zu Lentia sagen: „Du schreitest allen weiter voran"- damit nicht nur den Wunsch der Linzer, sondern das Gefühl Österreichs in Worte bringend; und dann läßt er einen Dreiklang von Gedichten Vertreter jener drei Stände sprechen, von deren Zusammenarbeit das Gedeihen der Stadt und mit ihr des Landes abhängt: den Bauern, den geistigen Arbeiter und den manuellen VÖEST-Arbeiter. Beispiele inneren Verbundenseins mit der Heimatstadt geben Arthur Fischer-Colbries stilistisch feinste Bezwingungen der Linzer Atmosphäre (der Altstadt etwa!), oder auch der mehr im Privaten verbleibende erinnerungsselige Hugo Maria Pachleitner, neuere Töne schlagen Herbert Eisenreich an und, nicht ohne spöttische Beiklänge, Rudolf Bayr, vor allem aber Karl Kleinschmidt, der eine glänzende, packende Haiku-Formel für die werdende Großstadt findet: „Termi tenbau von Stahl und Beton. Einzig die Lache spiegelt den Himmel." Seiner Umgebung wegen kann man Linz zu den schönsten Städten Europas zählen. Der Linzer ist nur zu österreichisch-bescheiden, als daß er es sich selbst einge stehen oder gar laut nach außen bekennen würde. Lieber liest er gedruckt solches Lob, wie es etwa dem Zaubertal ein Maurice Reinhold von Stern spendete, dem Pöstlingberg ein Edward Samhaber wie dann Enrica von Handel-Mazzetti, dem Freinberg ein Julius Zerzer, dem Pfenningberg ein Otto Christi, während von den hervorragenden Baulich keiten der Stadt im Gedicht besungen wurden die Drei faltigkeitssäule (von Fischer-Colbrie, Zerzer und dem auf solche Thematik vorab Linzer oder Steyrer Baudenkmäler sich lyrisch spezialisierenden Siegfried Torggler), das Stifter denkmal (auch Fischer-Colbrie, auch Torggler), der Dom (von den Dom-Sonetten der Handel-Mazzetti über Sam haber oder auch dem Domherrn Friedrich Pesendorfer wiederum zu Torgglers Lyrismen). Poetischer Boden war, seit den Tagen, da sie zur Heimat Handel-Mazzettischer Romane oder auch Gregor Goldbacherscher Mundartverse ward,die Stadt Steyr, und das Bild der so viel alten Zauber bewahrenden und in neuem Arbeits-Leben sich bewähren den Stadt verdichtet sich und gibt Grundstimmungen im Schaffen eines Carl Hans Watzinger, der gerne der stolzen Tradition der Steyrer Eisenhandelsherren nachgeht - wie anderseits JosefGünther Lettoffzafr dem oberösterreichischen Sensenhandwerk -, dann der formal wie menschlich feinen Veronika Handlgniber-Rothmayer, der Marlen Haushofer wie der Dora Dunkl, und wieder auch Siegfried Torggler, dessen liebevoll überquellende Steyrer Impressionen von der Stadt und ihrer Landschaft zu höheren Blicken lenken. Schicksal gefühlt wird aus dem Strome und Strömen der Donau, schon bei der Mimi Eckmair-Freudenthaler, bei Zerzer wie Kefer, bei Kleinschmidt, der in seinen Donau-Variationen „An den Brücken" Eindrücke formt wie den in der Frage festgehaltenen: „Wer wollte noch unterscheiden zwischen den Wellen des Wassers und den Stößen des Blutes? . . .", am stärksten aber doch bei dem ansonsten mit der Goiserer Landschaft engstverbundenen Franz Kain, dem in seiner packenden Donauballade wie in der Novelle „Die Donau fließt vorbei" der Strom, dessen tragische Melodie er ver nimmt, zur Lebensmacht wird, zur magischen Stimme uralter Weisheit. Daß einzelne Orte mit ihren Landschaften gelegentlich zu poetischen Mittelpunkten werden, zeigen Beispiele wie Bad Hall, das dem Schlesier Hanns Gottschalk Mut und Anlaß zu seinen Bad Haller Impressionen gibt, in die er, etwas literarisch allzu absichtlich allerdings. Ge stalten österreichisch-geschichtlicher Tradition hineinstellt wie Bruckner und Stifter, Mahler und Anzengruber usw., oder „Galli" (= Gallneukirchen), wo Franz Jäger seine „Fechsung" eintrieb; er, von den Mundartdichtern der letzten Jahrzehnte, neben Otto Jungmair und Reinthaler, vor Hans Haager oderJosef Viktor Stummer,der wesentlichste; er hat die fortzeugende Kraft der Mundart, dieser noch munter, wenn auch wie in einem versteckten Waldwinkel fließenden und noch immer unbeschmutzten Quelle, nicht nur gefühlt und genutzt, sondern auch erkenntnismäßig 39

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