Oberösterreich, 13. Jahrgang, Heft 3/4, 1963

Illustration von Karl Hochgotterer. Heren? Dies nirgends Radikale in Form und Kontur, in Fülle und Farbe; dies nirgends Zackige und nirgends Flache; dies sichre Vermeiden sowohl des Bizarren als auch des Banalen; ist's darin nicht sichtbarer geworden als in allen gelehrten Schriften, das von mir gemeinte Kunst-Prinzip? Dies immer überraschende und nie erschreckende Wechsein von Wiese und Waid, von Tal und Ftügei, von menschlicher Siedlung und freiem Revier in dennoch stetem Rhythmus: ist dies nicht der Gang, den meine Sätze gehen sollen? Den völligsten Einklang aber verspüre ich mit den weiß im hellen und dunklen Grün gleichsam ausgerollten Wegen, denen mein Auge folgt; so dem Natürlichen angeschmiegt und doch nur dem Ziel gehörend:so möchte ich denken. Kurzum: ich glaube nicht, mich zu täuschen, wenn ich, aus doch nun schon einiger Erfahrung sprechend, behaupte: Hier steht rund um mich als Natur, was in mir selber Kultur ist; hier hat dasjenige Schöpfungs-Prinzip - eins von Millionen -, das sich in mir verwirklichen will, sich in einem anderen Materiale schon realisiert: in der Landschaft. Hier endlich hab' ich denn auch gelernt, worauf das Gefühl, eine Heimat zu haben, uns eigentlich hinweist: auf den zutiefst gemein samen Ursprung alles Seienden. Alles andre Gerede von Heimat ist eitle Schöngeisterei, schlimmer als jeder Nihi lismus. In wohl erlaubter Abwandlung des zwiegesichtigen Wortes „Ubi bene ibi patria" sage ich jetzt, und jetzt erst in vollem Bewußtsein: Wo's mir gut geht, dort ist meine Heimat. Denn jetzt weiß ich, wo es dem Menschen wirklich gut geht: wo er sich eins fühlt mit dem Kosmos. Und wenn man mich trotzdem noch fragt, wieso Ich gerade auf dieses karge, nach außen fast spröd sich verschließende Land verfallen sei, dann kann ich nur gestehen: Weil mir offenbar bestimmt ist, so zu leben, wie dieses Land aussieht. Bliebe noch zu erwähnen, warum ich just in Sandl seßhaft geworden bin, in diesem einen von so vielen Orten des Mühlviertels. Ich kann's mit einem Worte sagen: Weil, was für mein Empfinden das Mühlviertel ausmacht, hier in der reinsten Form und noch unverfälscht ans Licht tritt. Mein Schreibtisch steht vor einem großen, gen Norden sich öffnenden Fenster. Wenn ich den Blick vom Manuskripte hebe, dann saugt's mich förmlich hinein in das da sich engende Tal, wie in einen Trichter, der im Ursprung aller Dinge mündet; in dieses Tal, welches zugleich sich zu mir her öffnet wie eine Posaune, mich überflutend mit dem herrlichen Ton der Bestätigung dessen, was ich in meinen besten Stunden erstrebe: „eins zu sein mit allem, was lebt". An vielen Orten bin ich gewesen, und überall gern; von allen bin ich weggegangen zwar wohl mit Dank, aber ohne Abschiedsschmerz. Von hier zu scheiden käme mir heut' noch so vor, als stürzte ich aus der Welt. So kindisch wird man im Glückl Deshalb wird hier, wie nirgendwo vorher, mit Marc Aurel zu lernen sein, daß alles Leben nichts anderes ist als Verwandlung. 13

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