(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 5. Jahrgang, Heft 1/2, 1955

sich im grauen Dunkel Verlieren, und will man die Gegend im Umrisse durchforschen, so steht ein mächtig hoher Wacht- thurm zu Dienste, der wohl die schlauen Feinde damaliger Zeit zu beobachten sehr nöthig war; andere runde Thürme auf allen Seiten sind nebst den doppelten Ringmauern größ ­ ten Theils verfallen, man kann sich den Umfang der alten Veste vorstellen, weil sogar eine Mahlmühle darin gestanden hat, zwei bis drei Brücken führen noch zum Eingänge, und zunächst demselben verwundert man sich über eine große Anzahl steinerner Kugeln wie Mannsköpfe und noch größer, und anderer Steinblöcke, die, als der Berg noch nicht mit Schwarzhol; bewachsen war, nur dazu dienen konnten, sie dein sturmlaufendon Feind entgegen rollen zu lassen, und so Tod und Verderben anzurichten; wahrscheinlich wurden sie nach überstandener Gefahr wieder gesammelt, hinauf getra ­ gen, und so zur neuen Vertheidigung aufbewahrt? Ein mittelmäßig fahrbarer weg führt schief in das anmuthige Thal Hinab, wo nicht weit eine Säule desjenigen Schaum- burgs zum Gedächtnisse stand, der bei einem ungünstigen Mondesschimmer vom Besuche einer schönen Mühlerstochter kier vom Pferde stürzte, und seinen Wonnetod fand,.." Diese Schilderung ist wahrlich „pittoresk", zeigt uns aber eine echte romantische Grundstimmung, wie sw am Anfang der Burgenkunde vorherrschte. Diese war damals also noch mehr eine poetische Angelegenheit, eine schöne Wort- und Stimmungsmalerei mit dürftiger Angabe einiger geogra ­ phischer und besitzgeschichtlicher Daten zu den dargestellten Objekten. Mu die Jahrhundertmitte nahm dann die schwärmerische Eiebe zu den Zeugnissen der Vergangenheit konkretere und wissenschaftlichere Formen an. In Österreich wurde am V- Dezember 1850 die „Zentralkommispon für Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale" gegründet. In Ober ­ österreich rief nran den Diözesankunstverein ins Leben. Be ­ vor er seine Tätigkeit aufnahm, wirkte in unserer Heimat vor allem Anton Ritter von Spann, hierzulande der bedeu ­ tendste und geistvollste Romantiker. Die wichtigste Persön ­ lichkeit in der neu sich entwickelnden Denkmalpflege, diesem echten Kinde des Historismus und der Romantik, wurde in Österreich ob der Enns Adalbert Stifter, wir wissen von ihm, daß er sich mit heiligem Eifer für viele kirchliche Kunst ­ werke eingesetzt hat. Von einer Burgen- oder Ruinenaktion unter seiner Leitung, etwa wie in Kefermarkt für den dor ­ tigen Flügelaltar, ist uns aber nichts überliefert. Dafür hat der Dichter in seinem historischen Roman „witiko" seiner Burgenliebe ein glänzendes und bleibendes Denkmal gesetzt. In liebevoller Kleinmalerei schildert er den Bau einer Burg in der böhmischen Heimat seines Helden, beschreibt das Leben auf diesen Adelssitzen in Österreich und Böhmen, wir dürfen witiko zur Schaunberg hinauf begleiten, genießen mit ihm den Blick ins Donautal, lauschen seinem Gespräch mit dein Burgbaumeister, erleben mit ihn: den Ritt zur Ba- benbergerpfalz. Der Dichter zeichnet alle diese Bilder mit historischer Genauigkeit, wir können also annehmen, daß Adalbert Stifter über das alte Burgenwesen gründliche Stu ­ dien angestellt hat. 1674 erschien dann in Oberösterreich das erste im richtigen Sinne der Bezeichnung burgenkundliche Werk von Johann Nepomuk Tori: „Bau und Einrichtung der deutschen Buraen im Mittelalter mit Beziehungen auf Oberösterreich." (Aus: Jahrbuch des O.-Ö. Musealvereines. Bd 32. 1874. 2. Aufl. 1695.) Dieses Buch ist heute noch lesenswert und auch in seiner Methodik nicht veraltet. Die Burgenkunde bestand für Tori hauptsächlich in einer Beschreibung der Objekte. Die Festungstechnik und Architektur waren für ihn im Vorder ­ grund des Interesses. In der Erforschung und Beschreibung dieser Gebiete suchte er nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, Formulierungen und Definitionen. Romantisches Erbgut lebte allerdings noch fort, wenn er die Kultur des mittelalter ­ lichen Adels, soweit das Leben auf Burgen darin zu ver ­ stehen ist, in seine Schilderung einbezog. Im Jabre 190a veröffentlichte Karl Rosner im Aufträge der k. k. Zentralkommission sein Werk: „Ruinen der mittel ­ alterlichen Burgen Ober-Österreichs" (Wien: Schroll 1903). Dieses Buch ist wenig brauchbar, doch methodisch erwähnens ­ wert, da die Burgenkunde hier nur als Baubeschreibung auf ­ gefaßt und die Vermessung der Anlagen als wesentlicher Teil der burgenkundlichen Arbeit betrieben wurde. Leider können die Pläne Rosners einer Überprüfung nicht standhalten. Von 1902 bis 19)0 gab dann Otto Piper (geb. 1 S4) , gest. 1921), ein Forscher, der auch heute noch zu den bedeutendsten Burgenkundlern gerechnet werden muß, ein umfangreiches Werk heraus: „Österreichische Burgen ..." Th. 1 — 8. (Wien: Hölder). Aus Oberösterreich nahm er folgende Objekte mit guten Plänen, Zeichnungen und eingehenden Baubeschreibun ­ gen auf: T. 1: Falkenstein, pürnstein. T. 2: Oberwallsee, der Räuber- oder Lauerturm bei ^euhaus, wernstein. T. 3: Luftenberg, Staus, Werfenstein. T. 4: Alt-Pernstein, Klaus, Schaunberg, Spielberg, Alt-Wartenburg. T. 5: Kreuzen. Lichtenhag, Reichenstein, Schwertberg, Wildenstein. T. 6: Lobenstein, piberstein, Scharnstein, waxenberg. T. 8: Krämpelstcin. Im Jahre 1925 gab dann Franz Sekker seinen Erläute- rungsband zu Georg Matthäus Vischers Topographie her ­ aus: „Burgen und Schlösser, Städte und Klöster Oberöster ­ reichs in Georg Matthäus Vischers TopoZruMu ^ustrius suporloris uiociervae 1674. Nachrichten aus ihrer Geschichte, gesammelt von Franz Sekker" (Lrnz 1925). — Darm smcet sich natürlich sehr viel burgenkundliches Material. Viel weiter ist «die Burgenkunde in Oberösterreich bisher nicht gediehen. Zum besseren Verständnis der jüngsten Ent ­ wicklung, die vor allem an den Namen von Landesarchiv ­ direktor Dr. Erich Trinks (siehe: „Heimatland." Illustrierte Monatsbeilage zum „Linzer Volksblatt". Jänner 1955) ge ­ knüpft werden muß, ist es notwendig, die gesamte derzeitige Lage dieser historischen Hilfsdisziplin in Österreich zu skizzieren. An Literatur sind vor allem zu zitieren: Robert Baravalle (Steirische Burgen und Schlösser. Baugeschichtlicher Teil von Werner Knapp. 3 Bde. Graz), Felix Halmer (Karte der wehr- und Schloßbauten in Niederösterreich. Wien 1946) und Josef weingartner (Tiroler Burgenkunde. Inns ­ bruck 1950). Jedes dieser Werke vertritt einen anderen Typus. Die Steiermark darf sich glücklich schätzen, die vor ­ zügliche Arbeit von Baravalle und Knapp zu besitzen. Sie setzt in guter Form die Art der alten Baubeschreibungen fort, verbindet aber die architektonische und lagemäßige Dar ­ stellung der Objekte jeweils mit einem kurzen Abriß der Besitzgeschichte derselben. Felix Halmer zeigt erstmalig den Versuch einer Burgenkarte, sein Buch ist zu diesem Karten ­ werk eigentlich nur ein Erläuterungsband. Josef Wein- gärtner hingegen knüpft an Beispiele an, wie es für Ober ­ osterveich Tori einst gemacht hat, schreibt also vornehmlich eine Kulturgeschichte der Tiroler Burgen. Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat mit Mitteilung vom 7. Juli 1950 eine Komsision für Burgen- forschung :ns Leben gerufen. Dieses Institut hat seitdem mehrere Arbeitsbesprechungen abgehalten, eine Fülle von Probleinen diskutiert, doch ist die wissenschaftliche Ausbeute bisher leider gering. Ein bedeutungsvoller Erfolg der Kom ­ mission war der von: 21. bis 23. Juni 1954 in St. Veit an der Glan abgehaltene 1. Österreichische Burgentag, einberu ­ fen vom Verband der österreichischen Geschichtsvereine, der den Teilnehmern Gelegenheit zur Aussprache und Aufnahme gegenseitigen Kontaktes bot. Sehr wertvoll wäre es, wenn die Kommission die Burgenforschung in Österreich koordi ­ nieren und eingehende Richtlinien für die Arbeit erlassen könnte. Vor allein müßte es gelingen, die Vermessung von Burgen und die Anlage von Burgenkarteien für das ganze Bundesgebiet einheitlich zu gestalten. Augenblicklich wird in Österreich auch die Gründung eines Burgenvereines vorbereitet. In unserer Heimat pflegt seit 1946 die Interessen der Burgenkunde der Verein Denkmal ­ pflege in Oberösterreich. Berühmt ist in Österreich das Bei ­ spiel des Burgenvereins Gösting geworden. Diese vielseitige organisatorische Tätigkeit auf dem Sektor der Burgenforschung hat sicherlich manche Anregung aus dem Beispiele der Schweiz erhalten. Dort wirkt seit 11. Juni 1927 die „Schweizerische Vereinigung zur Erhaltung der Burgen und Ruinen" (^Lsociutlou Suisse pour 1s oouser-

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