(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 1. Jahrgang, 1951 , Heft 2

Blättern, auch wenn es ihrer nur eine bemessene Auswahl ist, in Fülle entgegensehen. Es läßt sich zunächst an, wie ein Wettstreit zweier Begabungen, der malerischen und der zeichnerischen. Tatsächlich vereinen sich hier noch einmal beide ohne Widerspruch, wie es unter Meistern nördlich der Alpen einmal Regel war. Mustern wir die Zeichnungen, so treten sehr deutlich drei Anen auseinander: Naturstudie, Gestaltungsstudie und Karton. Die Reihe gehört zum Arbeitsvorgang und wie– derholt sich jeweils. Steinbüchlers Absicht ist es etwa, den Stadtturm von Enns mit Fresken auszustatten. Dazu rei– chen vage Formen nicht aus. Es braucht klare Symbole, ·vor allem aber auch Figuren, die sie tragen, oder Figuren, die selber Allegorien abgeben. Eine Frau soll den Reichs– apfel tragen. Die Naturstudie der Frau ist von größtem Reiz, denn hier ist ein Stück Leben eingefangen, es tut sich uns etwas wie Lebenstiefe auf. Für die Wand ist die Studie nicht unmittelbar zu brauchen. Die Figur muß in Gegen– wirkung zur Architektur dynamisch gefaßt werden. Da es aber ihre Funktion ist, ein Kleinod zu halten, hat sich die Bewegung auf das Haupt zu beschränken und sammelt sich am ausdrucksvollsten im Blick. Die Gestalt muß aber auch schlichter werden, nur das Schlichte ist groß. Einfachheit ist ihr weiters schon deshalb empfohlen, weil sie aus der Ferne, aus der Tiefe, aus dem Vorübergehen mit einem Blick begriffen werden muß. Ein Drittes ist dann die Aus– zeichnung des eindeutigen Umrisses auf dem Karton, der - in die noch feuchte Wand eingeritzt - Raum gibt für die Striche des Pinsels. Dieser wird sich, damit jede Starre vermieden wird, Freizügigkeit bewahren. lch habe beob– achtet, wie Steinbüchler mitten im Malen, um s,ich in der lebendigen Einbildung zu erhalten, ·immer wiede,r einen Blick in die ersten Studien warf. Steinbüchler hält grundsätzlich fest an der Gestalt, und besonders an der menschlichen Gestalt. Das hat nichts da– mit zu tun, daß sich Historien und Szenen des Gemein– schaftslebens nur an Figuren darstellen lassen; da ist die Figur sehr oft nur das Mittel der Erzählung. lhlll geht es zunächst um die Natur selbst, sie ist ihm der unmittelbare Ausdruck des Lebens selber. Dieser läßt sich am ehesten fassen, wo er ins Individuelle vorgetrieben ist: in der be– sonderen Struktur, in der genauen Artikulation, im be– stimmten Charakter. Nur die Großform, die aus einer Form des Lebens erwachsen ist, ist präzis genug zur Aus– sage, so zwar, daß sie im Verstande nicht abstrakt oder in der .Empfindung nicht banal wird. Die Naturform ist ihm allerdings nur Stoff. Das Fresko ist im Gegensatz zu aller intimen K.unstübung monumen– tal. Es ist ein Mißverständms, das erledigt sein sollte, Größe in der Übersteigerung zu suchen. GröfSer ist nur die ker– nigere, man mochte sagen, die geformtere Form, -das Ge– präge aus vertiefter Prägung. Solche Gestaltung oder Bil– dung kann flüssig werden durch Ergriffenheit, Tempera– ment, Leidenschatt des Künstlers, das letzte Siegel der Voll– endung wird ihm aber nicht aufgeprägt ohne Geist und nicht ohne willensmäßigen Nachdruck. In der Ausführung bleibt Steinbüchler nahezu nüchtern, dies mag bei einer künstler•ischen Natur, wie er sie ist, fast befremden. Und doch liegt der Grund einfach darin, daß für ihn alles Ex– pressive sei:nen Ort im Entwurfe hat, wogegen die Aus– g,estaltung bereits Sache des Könnens ist und unter der Kontrolle der künstlerischen Intelligenz und Rechtschaf– fenheit steht. Die Form hängt für ihn nicht ab von Gefühl und Trieb, sondern bedeutet für ihn nur die Veredelung des Stoffes durch den geistigen Gehalt. Es folgt der Maler nur dem Dichter: Dreifaltigkeit (1946). Danke, daß die Gunst der Musen Unvergängliches verheißt: Den Gehalt in deinem Busen und die Form in deinem Geist. Einer gänzlic}:i neuen Einstellung bedarf es, wenn der Künstler den Besuch vor seine Entwürfe führt. Entwurf heißt hier Komposition, und zwar in der Farbe. Wenn der Karton die letzte Stufe der Werkstattarbeit ist, so ist die thematische Skizze die erste, ja sie liegt vor allem Werk– mäßigen. Die .Allten haben in großer Klarheit an den Anfang allen Gestaltens, in Ton und Wort und Bild, die Invent.ion - die Erfindung - gestellt. Sie ist die Poesie, -die erst in einem zweiten Akt in Kunst - in Durchdringung des ge– wählten Mittels - umgesetzt wird. Dabei geht es nicht um absolute Neuerfindung. Di,e menschliche Existenz ist an sich schon in vielen Schichten angesetzt und wird im– mer wieder umgebrochen. Dem entspricht es, daß alle hohe Kunst weniger auf den rohen Stoff als auf vor– geformte Stoffe zurückgreift. Mythos, Legende, Historie

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