(Kulturzeitschrift) Oberösterreich, 2. Jahrgang, Sommer 1935, Heft 1

Ruine Lobenstein Lichtbild: M. Ncumiillcr, Linz tiefe heilige Sonntagsfriede, den voll zu genießen ich regelmäJlig nach der Kii·chc meinen ein samen Gang in di e Fluren tat? ·w enn ich mitten in der Talbreite bei der alten Kapelle unter der riesigen LiJ1de saR, Landleute mit freundlichem Gruß vorübergingen, mit diesem oder j enem ein Zuruf, ein ge– ru11 sames Wort gev.rechselt wurde; und dann ni chts als die ungeheure Stille blieb, von Berg zu Berg himmelblau und himmelweit gespannt über den Hi.i sternden Wipfeln , dem stummen Blumenwehen der Wiese, Vogelflug, hier 1rnd dort entschwebender le~ter Baumblüte lmd süRem Flötenruf der Golddrossel. Die Umrisse der Gebirge .begannen sich im mittäglichen Sonnen– dufi zu lösen, im waldigen Sattel, wo der Ubergang in s Nachbartal ist, stieg langsam eine Wolke „weill wi e ein Taubenflügel" , wi e Adalbert Stifter in ein er Schilderung gerade di eser Gegend sagt. Wolken und StraRen– bänder regen die Wanderlust. Da oben hin ter der alten Burg, der weitest– blid<.e nden im. Lande, im Hochtal, wo die Habichte spielend am Buchenhang auf und ni eder kreisen, ,vo der Bach al s ein rauschender Schleier über Felswände in die eis– kühle Klamm fällt, da blühen j e~t die Narzissen , da stehen sie zu Abertausenden im feuchten Wiesengrund, sdmeew·eiR und keusch geb eugt wie gottgeweihte Jungfrauen, aber sie haben zarte rote Lippen und duften betäubend. Und etwas später in der Zeit, wenn ·bald die Son nwendfeuer lodern werden, da öffnen dort um das bleid1e Kalkfel shaupt des Gipfels die wilden Feuerlilien ihre flarnmenfarbenen Kelche. Noch eh' sie welken, entfaltet der Ti.irkenbunt an den Halden seinen fremdartigen Prm1k, leuchtet der gelbe Spi~hut des Magiers Digitalis in der Schlucht, schwillt ve1-führerisch wie das Auge eines Zigeun ermädchens die Tolll<irsche, streiten Eisenhut und Rittersporn , die stahlblauen Kavalier e, um Prinzessin Frauensdrnh , di e ganz seltene und pretiöse, die der Bergdrache, der feurig gefleckte Molch .bewacht. W1mder, Geheimnis, Märchen überall in der Höhe und Tiefe. Wandere, sdiaue und lausche in die Stille, sie hat di e .berausdlende Fülle des Lebens, sie ist tausendfach lebendiger al s der leere Lärm der Welt, die sich die Mensd1en erbaut haben. Aus dem Sh-udengau bei Sarmingstein Lid1lbild: M. Ncu111iill cr. Linz 2?

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2