OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

132 Eines ist gewiss: Der Fortschritt auf dem Weg von der Armenversorgung über das Heimatrecht zur Fürsorge und schließlich zur Sozialhilfe ist ein Ruhmesblatt des Sozialstaates der letzten 100 Jahre. Die früheren Verhältnisse auf dem Land anschaulich gemacht hat vor allem der Heimatroman, vielfach als Idylle serviert, dann zu „Blut und Boden“ gesteigert, für unser Land auf den Boden der Realität gestellt vom Gründer und Autor der „Rainbacher Evangelienspiele“, Friedrich Ch. Zauner, geb. 1936 in Rainbach im Innkreis, mit seiner Romantetralogie „Das Ende der Ewigkeit“.9 Soziale Motive fehlen auch in der Dichtung nach dem Oö. Landes-Armengesetz die sog. Armeneinlage, die Naturalverpflegung von Haus zu Haus in Landgemeinden, von der bestimmte Personen ausgenommen waren, z. B. Kinder unter 14 Jahren oder Eheleute, deren gemeinschaftliches Zusammenleben durch die Einlage gegen ihren Willen gestört würde. „Die Einleger sind schuldig, sich im Unterstandsorte zu denjenigen Arbeiten, wozu sie vermöge ihrer körperlichen Beschaffenheit noch fähig sind, verwenden zu lassen“: So bestimmte es § 27 des Gesetzes.7 Nach dem sog. „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich wurde der hergebrachte Zusammenhang zwischen Heimatrecht und Armenversorgung gelöst; die Heimatrechtsvorschriften wurden mit 30. Juni 1939 außer Kraft gesetzt, sie waren für die Armenfürsorge kaum mehr brauchbar, was schon 1932 die Forderung nach einer „möglichst engen Anlehnung an das deutsche Recht“8 zur Folge hatte. Das 1939 bei uns eingeführte deutsche Fürsorgerecht war keineswegs NS-Gedankengut, es stammt aus 1924 und war eine Reaktion auf die Verarmung bisher wohlhabender Schichten durch die mörderische Inflation im Gefolge des Ersten Weltkrieges. An die Stelle der Gemeinden traten die Bezirksfürsorgeverbände, deren Kosten freilich im Weg einer Bezirksumlage wieder die Gemeinden zu tragen hatten, sie wurden dann durch die heutigen Sozialhilfeverbände abgelöst. Erst dieses System beseitigte die direkte Beteiligung der Wohnsitzgemeinde an den Kosten ihrer Hilfsbedürftigen und lud sie auf die Schultern der Solidargemeinschaft aller Gemeinden des Bezirkes, die eben von Gesetzes wegen im Sozialhilfeverband zusammengefasst sind. 7 S. Axmann/Chaloupka, Die Vorschriften über Armenfürsorge (Wien 1934), hier: S. 165. Sehr informativ zur Verbindung von Heimatrecht und Armenfürsorge das zehnseitige Vorwort. Das Buch umfasst 851 Seiten, auf S. 551–567 enthält es ein oö. Landesgesetz aus 1923 über die Schaffung von Herbergen für reisende Arbeitsuchende, in denen diese Unterkunft und Verpflegung erhalten. Damit sollte verhindert werden, „daß arbeitslos gewordene Arbeitnehmer, welche mittellos und gezwungen sind, von Ort zu Ort Arbeit zu suchen, schweren gesundheitlichen und moralischen Gefahren ausgesetzt werden“. 90 % der aufgelaufenen Kosten hatten die Gemeinden, die zu einem einzigen Konkurrenzbezirk zusammengeschlossen waren, zu leisten, der Landesbeitrag betrug nur 10 %. 8 Pfeifer, Grundsätzliches zur Neuregelung der Armenfürsorge, Österreichisches Verwaltungsblatt (=ÖVBl) 1932, S. 257 ff. 9 Bd. 1: Im Schatten der Maulwurfshügel; Bd. 2: Und die Fische sind stumm; Bd. 3: Früchte vom Taubenbaum; Bd. 4: Heiser wie Dohlen. Alle erschienen in der Edition Geschichte der Heimat, Grünbach bei Freistadt. Jüngst hat Erich Hackl in seiner auf Fakten aufbauenden Erzählung „Familie Salzmann“ (2010) die Not der kinderreichen ländlichen Bevölkerung im Bezirk Deutschlandsberg beschrieben (S. 9/10): „Vier Geschwister waren noch im Kleinkindalter an der Seuche, die Armut heißt, gestorben…“.

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