OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

130 schen vergriffenen – Buch „goidhaum & logahauskabbe“ so ausdrückt: „Ich habe keine Heimat mehr – – ich wohne nur mehr dort.“ Alten Menschen, so etwa einem 90-jährigen Ordenspriester aus Wien, der seit Jahrzehnten in Oberösterreich lebt und wirkt, kommt die alte Heimat abhanden – in diesem Fall: Wien –, weil seine Angehörigen verstorben oder alt und krank und ihre Kinder fremd sind. Wien, ebenso könnte man Linz nennen: Damit ist die Stadt als Heimat angesprochen. DerWiener Dichter AntonWildgans (1881–1932), ein gelernter Jurist, der in den Jahren 1921–1923 und 1930–1931 das Burgtheater leitete, schrieb: „Ich bin ein Kind der Stadt. Die Leute meinen, Und spotten leichthin über unsereinen Daß solch ein Stadtkind keine Heimat hat. .................................................................... ....................................................................“ Seinen Kindheitserinnerungen „Musik der Kindheit“ gab er den Untertitel „Ein Heimatbuch aus Wien“.4 Die „Heimat“ ist so vielfältig und facettenreich, dass sie sich einer kurzen Darstellung verweigert. In den „OÖ. Heimatblättern“ bedarf es einer solchen schon deshalb nicht, weil sie sich durch befördert wird (vgl. etwa das Interview in den OÖN 20. Juli 2010, S. 21, mit dem aus Bulgarien geflüchteten Schriftsteller Ilija Trojanow anlässlich der Festwochen Gmunden 2010). Heute haben viele eine alte Heimat und eine neue Heimat. Der berühmte lateinische Satz wird von Cicero im Zusammenhang mit der Verbannung angeführt. Seither – in den folgenden zwei Jahrtausenden – hat dieser Satz für Abermillionen von Menschen existentielle Bedeutung erlangt. Denn: „Zu jeder Zeit … wurde Menschen die Heimat genommen; keine Epoche, in der es nicht Verbannte, Vertriebene, Exilierte gab; immer und in allen Himmelsrichtungen waren Menschen gezwungen, sich in eine Fremde zu retten: sie konnten nur bestehen, wenn sie aufhörten, die alleinigeWahrheit in der Vergangenheit zu suchen …“.2 Heimat gehört zu den seelischen Komponenten der meisten Menschen; daher auch das Unwerturteil über die „heimatlosen Gesellen“. Heimat ist jedoch keine Idylle an sich. Ihr Verlust aber führt – gerade im Alter – oft zur verzehrenden Sehnsucht nach ihr. Es ist wie mit der Gesundheit: Solange sie da ist, ist sie gleichsam eine Selbstverständlichkeit. Der Dichter Wilhelm Szabo3 hat das in den folgenden Satz gebannt: „Die einer Heimat breit im Schoße sitzen, Sie sind’s nicht, die sie lieben allermeist, am meisten liebt sie, wer sie liebt im Geist.“ Anderen kommt die Heimat auf die Art abhanden, die der Mundartdichter Hans Kumpfmüller aus St. Georgen bei Obernberg imMotto zu seinem – inzwi2 Siegfried Lenz, Heimatmuseum, dtv Nr. 1704, S. 600. 3 Zu Szabo (1901–1986): Adalbert Schmidt, Dichtung und Dichter Österreichs im 19. und 20. Jahrhundert. (1964), Bd. 2, S. 131–133. Der 1906 geborene A. Schmidt, o. Universitätsprofessor an der Universität Salzburg, lebte zuletzt mit seiner Frau, Ulrike Schmidt-Rieger, u. a. Verfasserin des kleinen Gedichtbandes „Alles im Leben ist Spur“, in Eferding und ist dort 1999 gestorben. Großartig, weil von unvergleichlichem Kenntnisreichtum und lebendiger Sprache geprägt, ist seine zweibändige, vorhin zitierte Literaturgeschichte. 4 Näher: A. Schmidt (FN 3), Bd. 1, S. 355–358.

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