OÖ. Heimatblätter 2011 Heft 1/2

129 Der Heimatort Die Literatur und der Reichtum an Volks- und Kunstliedern, die um die Heimat kreisen, sind unerschöpflich, ebenso die Umschreibungen des Begriffes der Heimat. Auch die bildende Kunst unserer Tage und unseres Landes nimmt sich ihrer an, wie etwa die Ausstellung mit Werken von Peter Assmann bis zu Ingrid Wurzinger in kritischer Auseinandersetzung mit unserem Heimatdichter Franz Stelzhamer im StelzhamerMuseum in Pramet im Sommer 2010 gezeigt hat. Zurück zur Literatur: Ungewohnt zart begegnet der Heimat der gefürchtete Theaterkritiker Alfred Kerr (1867–1948): „Was ist Heimat? Kindheit. Wiegengesang. Sprachgewöhnung. Und Erinnerungszwang.“ Anders der bekannte knappe Satz aus der Römerzeit: „Ubi bene, ibi patria“, also: Heimat (oder Vaterland) ist dort, wo es mir gut geht.1 Damit wird die Verortung mit der Herkunft durchbrochen, eine Tendenz, welche durch die heutige Mobilität – Schlagwort: Globalisierung – und durch politische und durch wirtschaftliche Umstände erzwungenes oder verursachtes Verlassen der ursprünglichen Heimat Die Heimat im Staat Von Josef Demmelbauer Die Heimat spricht zum Gefühl, der Staat zum Verstand, die Heimat liebt man, den Staat schätzt oder kritisiert man, ist er ein Gewaltstaat, verschwören sich die Geknechteten gegen die Machthaber, die ihrerseits die Umstürzler verfolgen. Ob man nun – wie seinerzeit Nietzsche – im Staat ein kaltes Ungeheuer sieht oder in der Ausprägung der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts ihm als Sozialstaat der Daseinsvorsorge Anerkennung zollt, die Heimat, aus der man kommt, in der man lebt, sie ist im Zeitalter universeller Staatlichkeit stets auch Staatsgebiet. Darum ist es nicht gleichgültig, wie der Staat beschaffen ist, ist er ein Willkürstaat oder ein berechenbarer Rechtsstaat, ist er Polizeistaat, der zur Vermeidung des Kampfes aller gegen alle nur für Ruhe und Ordnung sorgt, oder obliegt ihm – als Sozialstaat – als Staatsaufgabe die Herstellung einer nach Möglichkeit lebenswerten Ordnung. Je nach dem realen Staatsbild kann die Heimat liebenswert sein oder ein Grund dafür, sie zu verlassen. Wie der Staat sein soll, darüber denken und schreiben seit über zwei Jahrtausenden Denker, aber auch Täter, wie etwa Stalin oder Hitler. H e i m a t o r t , H e i m a t l a n d , H e i m a t s t a a t Innerhalb dieser Kette nimmt die gefühlsmäßige Bindung mit der Entfernung ab. 1 Dazu im Zusammenhang: Cicero, Gespräche in Tuskulum, 5, 37, 108, in der lateinisch-deutschen Ausgabe der dtv bibliothek Nr. 6130, S. 448/449. Tuskulum hieß das Landgut in den Albaner Bergen, nahe dem heutigen Frascati, in das sich Cicero wiederholt zurückgezogen hat.

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