OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

138 „Kampf“ mit dem Eisenbahnministerium Noch vor der Bauphase der Offenseeanlagen und des Schwarzensee-Werkes reichte Stern & Hafferl im Februar 1907 Unterlagen zur kommissionellen Verhandlung ein. Erschwert wurde das Vorhaben dadurch, dass das Eisenbahnministerium ähnliche Ziele verfolgte und im Juli 1907 ein Konkurrenzprojekt einreichte. Da im Vorfeld keine Einigung möglich war, kamen beide Bewerber überein, eine gemeinsame Verhandlung zu führen, die im Oktober 1907 in Gosau stattfand. Das Stern-&-HafferlProjekt wurde wie folgt beschrieben: „Die zu gewinnenden Kräfte sollen für Beleuchtungsanlagen, Industriebetriebe und Eisenbahnen verwendet werden, und zwar außer dem Salzkammergut auch noch im größten Teil von Oberösterreich und im Lande Salzburg. … Es wird nämlich, um die Niederschlagsmengen bei Wolkenbrüchen und andauernden Regengüssen aufspeichern zu können, am Ausflusse des hinteren Gosausees eine sechs Meter hohe Staumauer mit einer regulierbaren Ablaßschütze hergestellt [Anm. Zentrale I]. 24 Meter unter der Stauoberkante wird ein Abflusskanal in der Richtung gegen die Gosaulacke hergestellt. Der Oberwasserkanal wird eine Länge von 1516 Metern erhalten und wird am Ende des Stollens ein Wasserschloß in den Felsen gesprengt. Vom Wasserschloß ist in schräger Richtung ein Druckstollen zum Maschinenhaus geplant. Durch den Oberwasserkanal können rund 5 Kubikmeter in der Sekunde abfließen und daher bei einem Gefälle von 162Meter imMaximum 8000 Pferdekräfte erzeugt werden. Es werden aber aus praktischen Rücksichten nur 3000 Pferdekräfte mit zwei Turbinen samt GeneraProjekt völlig neu auf und zog es mit der für ihn typischen Mischung von solider Wirtschaftlichkeit, visionär-technischem Innovationsgeist und nüchternem volkswirtschaftlichem Kalkül durch. Größeren und kleineren Widerständen von Fortschrittsverweigerern, die über ihren Kirchturm nicht hinaus sahen und nur das eigene Grundstück im Auge hatten, begegnete er mit diplomatischer Jovialität, wusste durch Argumente zu überzeugen und blieb fest auf dem als richtig erkannten Weg. Im Prolog einer zeitgenössischen Broschüre zu den Gosauwerken liest man unter anderem: „Schon seit Jahren beschäftigt Techniker undLaien die Frage, wie die verheerenden Hochwässer im Salzkammergut, insbesondere im Traunflußgebiete, verhindert oder wenigstens vermindert werden können, um Wasserkatastrophen, wie selbe in den Jahren 1897 und 1899 stattgefunden, unmöglich zu machen. Zweifellos kann dies mit Erfolg nur durch Anlage von großen Staureservoirs in denSeitentälerndesTraunflussesunddurchVergrößerung des Retentions-Vermögens der Seen erreicht werden. Ein Schritt in dieser Richtung soll durch die Anlage der Gosauwerke geschehen. Durch den Bau derselben sollen aber nicht bloß die Hochwässer des Gosautales unschädlich gemacht, sondern auch diejenigen Wassermengen, die heute zum großen Teil nutzlos abfließen, nutzbringend verwendet werden. Ihre Kraft soll für Beleuchtungsanlagen, Motoren-, industrielle und Bahnbetriebe dienen, und zwar nicht bloß im Salzkammergute selbst im Anschluß an die bestehenden Kraftleitungen, sondern auch weiter hinaus zu Kraftversorgungen im Lande Salzburg, einem Großteil von Oberösterreich und in der Folge wohl auch des angrenzenden Teiles von Steiermark. Der Zweck der Anlage ist also ein durchaus volkswirtschaftlicher, nicht bloß im eminenten Interesse des Salzkammergutes, sondern auch eines großen Teiles von ganz Oberösterreich und Salzburg gelegen.“13 13 Broschüre „Die Gosauwerke“ (Hg.), o. J. (1910): Elektrizitätswerke Stern & Hafferl AG, S. 1.

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