OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

229 bruch Abbitte leisten für die zahllosen Verbrechen, die in diesem Steinbruch während des Krieges begangen wurden (Anspielungen auf das KZ Mauthausen und den Steinbruch in Gusen bzw. das Nebenlager Ebensee werden erkennbar). Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie mit karger Landwirtschaft und mit Tauschhandel: Naturalien, u. a. auch besondere Mineralien, sowie verwertbarer Kriegsschrott gegen Konsumgüter der amerikanischen Militärbesatzung in der Besatzungsmetropole Brand. Der Handel wird von der Grenzgängerin Lily, einer Brasilianerin, betrieben. Der Einfallsreichste der Bewohner, der junge Schmied Bering (die Hauptfigur des Romans), setzt sich mit seinem technischen Können bis fast zum Schluss durch. Er ist imstande, aus Schrott brauchbare Utensilien herzustellen und ein schrottreifes Auto, einen Studebaker, wieder instand zu setzen und sogar mit fantastischen Accessoires zu einem Kunstwerk auszubauen. Er wird Chauffeur und Leibwächter des gefürchteten Hundekönigs Ambras und kann mit diesem zuletzt nach Südamerika abziehen, als am Ende das Gebiet nach Auflassung des unrentabel gewordenen Steinbruchs zu einem Truppenübungsplatz umfunktioniert wird, und die Bevölkerung in große Barackenlager in der Stadt Brand umgesiedelt wird. Dieser Bering leidet aber zunehmend an der Augenkrankheit Morbus Kitahara, die ihm Sehstörungen verursacht – ein vom Autor gezielt eingesetztes Symbol für die Vergangenheitsblindheit. Bering, Ambras und Lily erreichen zwar das rettende Brasilien, die beiden schirmen, deren Bespannung längst verfault war.“ Die Villa Flora, vordem Besitz eines im Krieg verschleppten jüdischen Hoteliers, bewohnt der mächtige Ambras, einst Zwangsarbeiter im Granit-Steinbruch und nun dessen Verwalter. Sein Quartier in der Villa Flora wird so beschrieben: „Er war der einzige Bewohner dieses zweigeschossigen Fachwerkbaus … er begnügte sich … mit nur einem, dem See zugewandten Zimmer, dem ehemaligen Musiksalon: Hier schlief er auf einem mit paradiesischen Gartenszenen bestickten Sofa, hier diente ihm ein mit grünem Filz bespannter Spieltisch als Eß- und Arbeitstisch zugleich …“ usw. Dort haust er nun als „Hundekönig“ mit einer Meute von halbwilden Hunden, die er brutal gezähmt hat und die bei ihm schlafen. Und im Hafen liegt ein versunkenes Luxusschiff: „Die ‚Schlafende Griechin‘, ein Raddampfer, der auf den Ansichtskarten aus der Zeit vor dem Krieg als das Wahrzeichen der Seeregion geprangt hatte, war in der Moorer Bombennacht im Hagel der Einschläge und einem Wald aufrauschender Wasserfontänen in Flammen aufgegangen und lag seither von Algen und Tang umweht in der grünen Tiefe vor dem Anlegesteg, gut sichtbar bei ruhigemWasser undWindstille.“ Dem Ruin der Zivilisation entspricht der Ruin der Menschen – menschlichmoralisch und wirtschaftlich: Sie sind apathisch oder aggressiv und hoffen zu überleben in der ausgesprochenen Notsituation, sie hoffen nur vage auf den Anbruch besserer Zeiten wie vor dem Krieg – wie sich am Ende herausstellt: vergeblich. Sie müssen in Bußveranstaltungen am Mahnmal im Granit-Stein-

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