OÖ Heimatblätter 2010 Heft 3/4

213 rungen telefonisch nach Linz durchgab, von dort wurde dann bis etwa 19.30 Uhr bundesweit gesendet. Danach meldete sich wieder Wien – aus dem provisorisch eingerichteten Musikstudio im Ronachergebäude. Jetzt erst konnte ein zusammenfassender Bericht von dem Überfall auf das Bundeskanzleramt und der Ermordung des Bundeskanzlers durchgegeben werden.10 Ausbau vor politischemHintergrund Als bedeutender Faktor öffentlicher Information und (Meinungs-)Bildung wurde die RAVAG, wie erwähnt, seit 1933 mehr und mehr zum Sprachrohr der neuen Regierung und deren Politik, was sich in Personalmaßnahmen und Programmvorgaben sichtbar niederschlug. Für die politischen Sendungen richtete man in der wissenschaftlichen Abteilung die neue Reihe „Zeitfunk“ ein. Die Kulturnachrichten hatten alles hervorzuheben, was geeignet war, das Österreichbewusstsein zu festigen und die Eigenständigkeit Österreichs, allerdings eines deutschen Österreich, zu betonen. Von den Betriebsbedingungen und von der Effizienz ausländischer Stationen wie z. B. der deutschen war man freilich, nicht zuletzt wegen interner Querelen und mangelnden Kapitals, weit entfernt. Über die Spätzeit der RAVAG urteilte der damalige Programmdirektor Rudolf Henz zusammenfassend: „Die RAVAG selbst war eher das Modell eines RundfunkbeErstes Ziel des NS-Putschversuchs am 25. Juli 1934 in Wien war, neben dem Bundeskanzleramt, das RAVAG-Studio in der Siebensterngasse. Die Putschisten erschossen einen Polizisten, drangen in das Gebäude ein und erzwangen die Durchgabe einer Falschmeldung, wonach die Regierung zurückgetreten sei und Botschafter Dr. Rintelen die Regierungsbildung übernommen hätte. Nach dieser Meldung, die kurz nach 13 Uhr (annähernd zur selben Zeit, als die tödlichen Schüsse auf Kanzler Dollfuß fielen) ausgestrahlt wurde, trat Funkstille ein; beim Schusswechsel im Verlauf der Studio-Besetzung hatte eine Gewehrkugel eine Röhre getroffen und den Sender somit unbrauchbar gemacht. Wahrscheinlich war diese Aktion die weltweit erste, bei der die Okkupierung des Mediums Rundfunk einem politischen Umsturz zum Durchbruch verhelfen sollte.9 Dem Linzer Sender, der schon bei den ersten Sicherheitsmaßnahmen kurz nach 13 Uhr durch einen Zug Alpenjäger geschützt wurde, fiel in diesen bangen Stunden die wichtige Aufgabe zu, die Führungsrolle unter allen österreichischen Stationen zu übernehmen. „Es war“, so der damalige technische Leiter Dipl.-Ing. Alfred Klimesch in seinen Erinnerungen, „ein zeitlicher ‚Wettlauf‘ mit dem Ziel, den Putschisten zuvorzukommen und die Nachricht von der Falschmeldung so rasch wie möglich gesamtösterreichisch zu verbreiten“. (Die Lage im besetzten Wiener Studio war ja unklar, und von der dauerhaften Beschädigung des Wiener Senders wusste man noch nichts!) Die Nachrichtenübermittlung funktionierte dergestalt, dass die im Heeresministerium am Stubenring versammelte Rumpfregierung die notwendigsten Verlautba9 Glaser, Kulturleistung, 37. 10 Harry Slapnicka: Oberösterreich zwischen Bürgerkrieg und Anschluß, 190 f. Viktor Ergert: 50 Jahre Rundfunk in Österreich, Bd. I 1924–1945, Salzburg 1974, 157. Klimesch gegenüber demAutor imNovember 1999.

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