OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

erfließt aus einer Kritik an Stifter selbst, der im Umgang ungenießbar gefunden wird, Aprents Methode aber, die Idee in der Anschauung der Wirklichkeit aufzusuchen, wird mit einem ästhetischen Genießen verwechselt. Eine direkte Zusammenarbeit Aprents und Stifters auf poetischem Gebiet ist mindestens seit Beginn der Arbeit am „Witiko" nachweisbar. Der Dichter staunte über das divinatorische Vermögen des Freundes, mit dem dieser aus einzelnen vorgelesenen Teilen die Absichten des Ganzen erriet. Wir finden dieses bestätigt in der Witiko-Besprechung (des 1. Bandes), die J. Aprent (leider mit dem Druckfehler „Ahrent") in Nr. 156/157 der Augsburger Allge meinen Zeitung, 5./6. Juni 1865, erscheinen ließ. Hier blicken wir unmittelbar in den Ur sprung von Aprents kongenialem Vermögen, indem er in diesem Rahmen das Verhältnis der Idee zur Wirklichkeit (sowohl beim Denker als auch beim Dichter) untersucht. Ideal ist etwas,„was werden soll", was „in Entwicklung begriffen, auch in uns liegt", zugänglich der Vernunft, dem Herzen, dem Gewissen. Wir kennen es und wissen, „daß auchjeder Andere ihm zustrebt". Dadurch wird uns der Nebenmensch verständlich, während er uns als bloße Naturerscheinung so oft rätselhaft bleibt. Es gibt ein Ideal, das nicht ausgedacht ist, ein der menschlichen Entwicklung immanentes Ideal: „Die menschliche Entwicklung strebt dahin. Erkennen, Wollen und Können in Übereinstimmung zu bringen."-„Aufdem Weg aber, aufwelchem die mensch liche Entwicklung fortschreitet, sucht und findet auch der Dichter seine Ideale." So erkennt Aprent mit kongenialem Blick im Roman „Witiko", von dem erst der 1. Band vorliegt, die dichterische Darstellung des Problems vom idealen menschlichen Handeln(wo Erkennen, Wollen und Können in Übereinstimmung sind). Welch eine magere Idee, möchte mancher sagen! Das ist es keineswegs, sondern es ist volles Leben. Nach diesem herausgefundenen Maßstab bemißt er die Hauptgestalten des 1. Bandes - Silvester, Sobieslaw, Adelheid - und setzt bereits seine Erwartung auf die vollkommene Lösung des Problems in die Ent wicklung der beiden Gestalten Witiko und Wladislaw. Schade,daß die Besprechung Fragment geblieben ist! Denn damit ist in der Tat der innerste Nerv des großen historischen Romans, der an der Oberfläche nicht sogleich erkennbar ist, aufgedeckt: Die eigenmächtige, aber ideale Handlung Witikos bei Pilsen, die ihre Recht fertigung durch den Lauf der Ereignisse und durch die ihr entgegensprießende Verstehensblüte aus dem Herzen des Herzogs Wladislaw findet. - Je mehr Stifters Gesundheitszustand herabsank, um so unentbehrlicher wurden ihm die Besuche des Du-Freundes. „Dieser edle, herrliche Mensch" machte für ihn im Herbst 1865 Quartier in Kirchschlag für seinen bekanntgewordenen Winteraufenthalt. „Aprent, der in den Leidenstagen (1867/68) sein bester und aufopferndster Freund war, weilte oft an seinem Krankenlager als sein stiller Tröster" (Amelie von Handel).® Er war Stifters Witwe Amalie als Stütze beigestanden, indem er das Soll des Verstorbenen auf dem Vor schußkonto des Verlegers Gustav Heckenast (19.000 0.) ordnete und ihr von dort eine lebenslängliche Rente von 400 fl. jährlich sicherte; selbstlose Bemühungen, zu deren Ziel die Ausgabe von Stifters Briefen in 2 Bänden mit der vorangestellten Biographie sowie die Ausgaben der nachgelassenen „Erzählungen" und „Vermischte Schriften" entstanden sind. Einem Komitee, dem Aprent vorstand, ist der granitene Obelisk, der auf dem Grab des Dichters aufruht,zu verdanken.(Aprents eigenes Grab ist nicht erhalten.) Stifter und Aprent ® Hein, S. 787.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2