OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

wiedergegeben werden, die sie als Wallfahrer kennzeichnen. Darunter befinden sich auch die Darstellungen eines Mannes und einer Frau, dieje einen Gegenstand in Händen halten, der als Tonkopfurne kenntlich ist. In dieselbe Zeit ist auch eine qualitativ schöne Kopfurne zu datieren, die in einer (vermauerten) Nische in der Kirche von Altenkirchen entdeckt wurde®. Problematisch (nicht nur wegen ihrer Formulierung) ist demnach die im Zusammenhang mit den Urnen in St. Georgen in den Zeitungen gebrachte Feststellung, daß „der Tonkopfurnenkult^" bis in die heidnische Zeit zurückreicht und später von der Kirche in den religiösen Kult aufgenommen wurde". Bisher ist es nämlich der Wissenschaft trotz vieler Bemühungen nichtgelungen,einen unmittelbarenZusammenhangzwischen diesen bayrisch-österreichischen Wallfahrtsurnen und den ihnen verblüffend ähnlichen antiken (römischen) Aschenurnen herzustellen, wie sie in den Museen in Bologna, Verona, Neapel, Pompeji usw. ebenso zu sehen sind wie als Ausgrabungsfunde im römisch besetzten Rheinland in den Museen in Bonn, Mainz, Straßburg, Worms usw. Stets handelt es sich dabei um Gesichtsurnen, die dazu bestimmt waren,die Reste desLeichenbrandesaufzunehmen.Es bestehensomitaufdeutschem Boden zwei von einander scharf abgegrenzte Verbreitungsgebiete von Tonkopfurnen; die der provinzial-römischen Aschenurnen im Rheinland und die der rezenten Wallfahrtsurnen im bayrisch-österreichischen Grenzgebietbeiderseitsdes Inn.Wie nachdrücklich dieScheidung dieser beiden Bereiche ist, zeigt die Tatsache, daß es bisher noch in keinem Fall gelungen ist, im Bereich der antiken Aschenurnen die Verwendung einer rezenten Urne im Votivbrauch einer Kirche und im Bereich der bayrisch-österreichischen Opferurnen eine römische Aschen urne als Ausgrabungsfund nachzuweisen^i. Nichtdestoweniger veranlaßt uns gerade der Fund von St. Georgen dazu, das Traditions problem, allerdings von einem anderen Gesichtspunkt aus, nochmals zur Diskussion zu stellen. Es ist nicht mehr zu übersehen, daß nun schon vier Belege dafür vorliegen, daß die bayrisch-österreichischen Tonkopfurnen nicht nur im Wallfahrtswesen, sondern auch im Bestattungsbrauch verwendet wurden, und zwar: St. Georgen b. Obernberg: Urnen auf dem Schädel- und Knochendepot liegend; Taubenbach: Scherben von Kopfurnen beim Ausschaufeln von Gräbern im Friedhof aus gegraben; Lebenau: Urne unter dem Kirchenpflaster gefunden (was doch wohl,wenn die Ortstradition richtig ist, darauf schließen läßt, daß sie einer einst in der Kirche befindlichen Erd bestattung entstammt.); Viechtach b. Kötzing: In der Gruftkapelle am Friedhof(Armenseelenkapelle) befand sich, nach R. Kriss (273), lange eine Tonkopfurne, „über deren Bedeutung im Volk nichts zu erfahren war". Welche dem Volk heute nicht mehr bekannten Funktionen die Tonkopfurnen im Bestattungs bereich gehabt haben können, versuchen die folgenden Gedanken zu erläutern. 'a. a. O.71 (mit Lit.). Einen solchen hat es mitBestimmtheit nie gegeben.Die Urnen waren niemalsselbst Gegenstand der Verehrung, sondern stets nur dienende Objekte bei einer religiösen Handlung. "Zur Diskussion über die Zusammenhänge mit den römischen Urnens.M.Schmidt,Oberbayr. Archiv,Bd.49, 541; R. Andree, a. a. O. 139; R. Kriss, a. a. O. 126. Merkwürdigerweise wurden noch weitreichendere Traditionszusammenhänge mit den prähistorischen und ethnologischen Gesichtsurnen zur Aufnahme von Leichenbrand und Körperbestattung bisher noch nicht diskutiert. Aus ihnen wäre wohl die weltweite Verbreitung dieses Bestattungselements ebenso wie sein daraus resultierendes enormes Alter abzulesen.

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