OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

Diese Mitteilungen allein genügen aber auch, um zu sehen, daß die Funde von St. Georgen nicht die einzigen sind, die es außer den aus dem Wallfahrtsort Haselbach bei Braunau bekanntgewordenen Gefäßen dieser Art gibt. R.Kriss allein führt in Fortsetzung der Berichte von R. Würdiger (1874). M. Höfler (1893), R. Andree (1904), H. v. Preen (1906) und M.Eysn (1910) nicht weniger als 17 Belegorte an, durch die sich die Verbreitung der Ton kopfurnen über das bayrische Innviertel im Rott- und Vilstal nordostwärts bis zum Regen und ostwärts bis Passau (St. Salvator in der Ilzstadt) und in Österreich im nördlichen Teil des Salzburger Flachgaues (Lamprechtshausen) und im Bezirk Braunau (Hart, Haselbach, Valentinshaft) nachweisen läßt. Durch den Fund von St. Georgen schließt sich nunmehr auch der Bezirk Ried an (s.Verbreitungskarte in Auswertung der Angaben von R. Kriss', Abb. 4). Heute findet sich kaum noch eine Kirche, in der originale Tonkopfurnen anzutreffen sind. Seit Zeugnisse religiöser Volkskunde zum Sammelobjekt geworden sind, wurden sie, nicht selten auch von Wissenschaftlern selbst, restlos weggeräumt und meist Privatsammlungen einverleibt. Als Verwendungszweck der Tonkopfurnen ist aus dem rezenten Brauchtum nur ihre Be nützung im Wallfahrtswesen bekannt geworden. Der Brauch haftet nahezu ausschließlich an Verehrungsstätten von Heiligen, die wegen eines besonderen Martyriums als „Kopf heilige" oder wegen ihres Namens (Valentin) als Patron der an „hinfallender" Krankheit (Epilepsie) Leidenden gelten. Die Gefäße sind von sehr unterschiedlicher Größe. Es gibt Urnen mit 30 und solche mit kaum 10 cm Durchmesser. An ihren Leibungen zeigen sie regelmäßig die mehr oder weniger gut gelungenen Züge eines menschlichen Gesichtes aufmodelliert, wobei Augenbrauen, Nase und Ohren häufig durch plastische Auflagen gebildet, die übrigen Gesichtsmerkmale durch modellierte Vertiefungen oder Erhöhungen angedeutet sind. Bemalungen wurden m. W. bisher nur bei den Augen festgestellt,indem die Augäpfel weiß gehöht sind. Durch den Fund in St. Georgen kennt man nunmehr auch Rot- und Blaufärbung der Augen. Der Schalen korpus selbst ist meist aus unglasiertem Ton (als Ausnahme s. z. B. Taubenbach), der in gebranntem Zustand hellgelb bis braunrot erscheint. Dort, wo die Urnen zur Aufnahme von Getreide dienten, zeigen sie kreisrunde Öffnungen auf der Schädelkalotte oder am Hals. Die Benützung der Urnen im Wallfahrtsbrauchtum ging so vor sich, daß der Votant, Mann oder Frau, die Urne entweder in der Hand trug oder sie sich auf den Kopf stellte, wenn er mit der Bitte um Linderung heftiger Kopfschmerzen oder Nachlassen epileptischer Er krankungen oder mit Bitten um Kindersegen den Altar, meist dreimal, umschritt. Wo, wie dies vor allem bei den zuletzt genannten Wallfahrtsanliegen der Fall ist, bei der Handlung die Urne mit Getreide gefüllt wurde, galt mitunter die Vorschrift, daß das dabei verwendete Getreide aus drei oder neun Höfen zusammengebettelt oder aus einer Mischung aus den drei Getreidesorten bestehen sollte. Wie alt die Verwendung von Tonkopfurnen im Volksbrauch ist, steht derzeit noch nicht fest. Gesichert ist bloß, daß sie sich bereits für das 15.Jahrhundert nachweisen läßt. Den Beweis hiefür erbrachte G. Ritz« in ihrer Untersuchung der dieser Zeit entstammenden Fresken in der Kirche des schon genannten Taubenbach, bei denen mehrere Personen mit Attributen 'Kriß, a. a. O.,Tabelle S. 349 und Karte zur Verbreitung der „seltenen Opfergaben". ® G. Ritz, Spätmittelalterliche Kopfurnen. Bayr.Jb.f. Volkskunde 1952,70 f.f

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2