OÖ. Heimatblätter 1967, 21. Jahrgang, Heft 3/4

oder ein eigener kleiner, von außen einzusehender Ein- oder Anbau (das „Seelkammerl") gewesen sein'. Erst seit etwa 80Jahren werden diese Lokalitäten mehr oder weniger radikal von den dort aufgestapelten Schädeln und Langknochen geräumt und darm meist in Ölbergkapellen, nach dem ersten Weltkrieg hauptsächlich in Kriegergedächtnisstätten umgewandelt. Daß eine derartige, in ihrerFunktionjedenfalls bereits sehr alte Einrichtung auch für St. Georgen anzunehmen ist, macht das Beispiel des nahen Obernberg wahrscheinlich, von wo die Auf stellung von (bemalten) Schädeln im Bereich des Gotteshauses noch aus der Zeit um die Jahrhundertwende durch Augenzeugen belegt ist. Bei dem im Laufe der Zeit stark anwachsenden Anfall von enterdigten Leibern erwiesen sich die für ihre Lagerung vorgesehenen Räumlichkeiten in gewissen Abständen als zu klein. Man war genötigt, die älteren Bestände zu dezimieren. Dies geschah, wofür Belege aus seit rund 250 Jahren vorliegen, dadurch, daß man die Knochen in einem Sammelgrab, zum Teil in sehr feierlicher Form, im Friedhof wieder beisetzte. Noch häufiger aber wurden sie in ungeweihter Erde eingegraben oder (vereinzelt) im Moor versenkt. Die Sorgfalt, mit der dabei zu Werke gegangen wurde, ist ortsweise ebenso verschieden wie die Treue der Er innerung an die örtlichkeiten, wo diese „Zweite Bestattung" vorgenommen wurde. In ein zelnen Orten weiß man heute noch die Stelle anzugeben, wo die Knochen im Friedhof ver graben wurden,in anderen erinnert man sich nur, daß man die Schädel „scheibkorb-" oder „leiterwagenweise" weggebracht hat. Es ist bedauerlich, daß bei den Abräumungsarbeiten in St. Georgen nicht darauf geachtet wurde, ob sich unter den aufgefundenen Schädeln auch solche mit Spuren einer einstigen Beschriftung oder Bemalung befanden. Daß es diesen Brauch der Schädelverzierung auch hier gegeben hat, ist aus der Verbreitung dieser eigenartigen Volkskunst durch weite Teile des Innkreises hin zu erwarten^. Aus diesen Relikten wäre unschwer die Zeit abzulesen gewesen, aus der zwar nicht das Depot, aber die Hauptmasse der Knochen stammt. Es hätte sich also ein brauchbarer terminus ad quem ergeben, der möglicherweise auch für die sonst so schwierige Datierung der gleichzeitig aufgefundenen Tonkopfurnen anwendbar gewesen wäre. Zur Auffindung dieser Urnen ist zunächst anzumerken, daß es keineswegs das erste Mal ist, daß derartige Geräte aus dem Sakralraum eines Bestattungsreiches in einer Kirche oder einem Friedhof geborgen wurden. Bereits 1874 berichtet R. Würdiger', daß ihm in dem Kirchlein von Lebenau an der Salzach eine Tonkopfurne gezeigt wurde,die unter dem Pflaster der Kirche gefunden worden sei. Eine zweite einschlägige Meldung verdanken wir R. Kriss, der in Taubenbach (in dem St. Georgen gegenüber liegenden bayrischen Innviertel) neben unglasierten Kopfurnen aus dem Wallfahrtsbrauchtum der dortigen Kirche auch „glasierte Köpfe"feststellen konnte,von denen Scherben „beim Ausschaufeln von Gräbern"im Friedhof gefunden worden waren'. 'Über die Anlage derartiger Räumlichkeiten in Innviertier Kirchen und die dort aufgestellten Knochen s. E.Burgstaller,Schädelbeschriftung und -bemalung in den österreichischen Alpenländern.Alpes orientales II., Graz 1961, 71 ff. 'Verbreitungskarte in Verf., Schädelbemalung a. a. O. 'Oberbayr. Archiv, Bd.34,335 • R. Kriss, Volkskundliches aus altbayerischen Gnadenstätten. Baden b. Wien 1932, 180;zur Beschreibung der Urnen in Taubenbach s.auch R.Andree,Votive und Weihegaben des katholischen Volkesin Süddeutschland. Braunschweig 1904, 144.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2