OÖ. Heimatblätter 1955, 9. Jahrgang, Heft 2/3

Willvonseder: Das Mondseeland in urgeschichtlicher Zeit die maßgebenden Anteil am Aufbau einer bestimmten Landschaft haben, kommt aber, wie H. Carol betont 56 ), der bei der Betrachtung geographischer Probleme mit dem Begriff der „Welt" im Sinne M. Heideggers operiert 57 ), ausschließlich der Geographie zu, deren wissenschaftliche Bedeutung „in der synthetischen Erkenntnis der konkreten erdräumlichen, landschaftlichen Wirklichkeit zu erblicken ist". Geographie kann weder Natur- noch Geisteswissenschaft allein sein 58 ). Auf die prähistorisch-archäologische Siedlungskunde angewandt bedeutet das, daß sich der Historiker mit dem Geographen einigen oder selbst zu echter geographischer, funktionaler Betrachtungsweise und Zusammenschau gelangen muß, wenn es um geographische Probleme geht. Nur auf diese Weise können, natürlich unter voller Berücksichtigung der jeweils maßgeblichen historischen, vegetationsgeschichtlichen und sonstigen entscheidenden Fakten und zunächst der durch Funde erhärteten Tatbestände grundlegende Fehler vermieden werden, wie die unberechtigte Übertragung mittelalterlicher oder sogar moderner Verhältnisse auf Zeiten, aus denen keine schriftlichen Nachrichten vorliegen, sondern die Bodenfunde und die festen Bodendenkmale die einzigen mittelbaren Zeugnisse der Wirksamkeit geistiger Kräfte sind, die, wie z.B. H. Carol sagt, ,,die Landschaft aus der unorganisierten Natur- zur organisierten Kulturlandschaft umformen". Die Naturlandschaft ist eine Landschaft, in der nur Naturkräfte tätig sind, die also „in ihrem ursprünglichen Zustand ohne Beeinflussung durch den Menschen geblieben ist bezw. war" 59 ). Wurde zu Beginn der Metallzeit Kupfer aus den Ostalpen über das Salzburger Becken ostwärts verhandelt, wie manche Forscher annehmen, so ist der natürliche Weg durch den Verlauf der späteren römischen Reichsstraße wie auch der mittelalterlichen und modernen Hauptverkehrsader durch das etwa 5 km breite „Tor von Frankenmarkt" (bezw. die Pfortenlandschaft von Straßwalchen) zwischen der Flyschzone und dem Hausruck klar vorgezeichnet 60 ). Daß die Pfahlbaubewohner ihren Bedarf an Kupfer, das nach dem Nachweis von Gußgeräten in den Mond- und Atterseepfahlbauten verarbeitet wurde, aus der ostalpinen Bergbauzone bezogen haben, ist naheliegend. Auf diese alte und vielumstrittene Frage kann hier nicht näher eingegangen werden; sie wird erst zu lösen sein, wenn einmal Ergebnisse lagerstättenkundlicher Serienuntersuchungen vorliegen 61 ). Die von W. Witter vertretene Ansicht, die Pfahlbauleute hätten ihr Kupfer aus Mitteldeutschland bekommen 62 ), ist jedenfalls wenig überzeugend 63 ). Auch ist nicht unwahrscheinlich, daß das in den oberösterreichischen Pfahlbauten benötigte und verarbeitete Kupfer auf dem von L. Franz angenommenen Weg durch das Tal von Thalgau angeliefert wurde. Aber als Durchzugsgebiet oder gar entscheidendes Glied eines weitreichenden Fernhandels ist das Mondseegebiet auszuschalten, denn es fehlen ihm selbst heute noch die Voraussetzungen, eine „Beschleunigungszone" zu sein 64 ), wie z. B. die verkehrsfreundliche Pfortenlandschaft des „Tores von Frankenmarkt". Diesen Schluß legt nicht zuletzt eine Prüfung der hydrographischen Situation nahe. 107

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