OÖ. Heimatblätter 1953, 7. Jahrgang, Heft 2

Schiffkorn: Heinrich Suso Waldeck und Oberösterreich Darf ic:h Sie, hochgeschätzter Herr Professor, bitten, em1gen Gedichten, die Ich in den Monaten hier in St. Pölten geschrieben habe, Ihre Teilnahme zu schenken? (Es folgen die Gedichte: ,,Winter"; ,,Aujagd"; ,,0 du zartes Licht".) Mit den besten Wünschen für Ihr gesundheitliches Wohlbefinden grüßt Sie herzlichst Ihr Bruno Ammering (Beigeschlossene Gedichte: ,,0din am Baume", ,,Später Herd ...", ,,Im Traum".) * An Bruno Ammering St. Veit, 11. II. ,12 Mein lieber Herr Bruno! Heute vormittags (Mittwoch) hat mich Ihr Brief erreicht. und ich schreibe sofort Antwort, damit Sie mir nicht etwa aus Spratzern entwischen. Ich danke Ihnen für die Mitteilung Ihrer Verse, die mir sehr willkommen sind. Kein eim:Lger von ihnen wäre als mißlungen zu streichen, wenn auch manche Zeile der Feile bedarf. Ich rate, diese Gedichte für einige Monate ungefeilt wegzulegen, um sie dann nochmals zu prüfen. Sie sind alle voll der Schau und Stimmung; beide sind in knapper, meist erstaunlich sicherer, schöner Sprache ausgedrückt. Einiges freilich ließe sich ändern. (,,Im Herz'' - diese Deklination finde ich zu frei. Herz auf Schmerz zu reimen haben Sie nicht nötig.) Ich möchte Ihnen, lleberr Dichter, näcmitens noch einige Bemerkungen zu Ihren Versen machen, aber nicht etwa durchwegs nörgeln. - Ihr Erlebnis mit Grillparzer kann ich verstehen. Für einen Lyriker ist er freiliah keine gute Schule. Lenau etwa ist weit spracheigener, sprachmächtiger und sprachfeiner. Sobald ich dazu fähig bin, schreibe ich weiter. Eben habe ich Tage hinter mir, die mich sehr geschwächt haben. Um Sie, mein Bruno, bin ich besorgter als um mich. Treulich Ihr Suso Waldeck • An H. S. Waldeck St. Pölten, am 19. 2. 42 Sehr verehrter Herr Professor! Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für Ihr gütiges Schreiben vom 11. II. entgegen! Daß Sie gesundheitlich so Schweres durchmachen müssen, las ich mit tiefer Anteilnahme und mit dem Wunsche, daß Ihnen doch die künftigen Wochen Linderung verschaffen mögen! Könnte ich doch etwas für Sie tun! Ich weiß nicht, wie ich mir Ihre Anteilnahme, die Sie mir so freundlich schenken, verdient habe; sie erfüllt mich immer von neuem mit tiefer Dankbarkeit. Ich bin überzeugt, daß in meinem Alter das Schicksal keine bessere Förderung einem angedeihen lassen kann, als den Rat und die Anteilnahme e·ines Menschen wie Sie. Durch Ihre Worte damals in St. Veit wurde mir das erste Mal klar, daß ein Gedicht, wie Sie sagten, eine Kostbarkeit sein müsse; zugleich konnte ieh auch ermessen, daß der Weg zu einer Sprache, die dieser Forderung gerecht we•rde, ein sehr, sehr weiter sei. Deshalb so schwer, weil die Kunst Distanz und Gestaltung ve·rlangt, aber doch aus dem Herzen und aus der Begeisterung stammen muß, soll sie nicht eine papierene Konstruktion sein. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu versicheren, daß mir Ihre Bemerkungen, Hinweise und Urteile, die Sie meinen Versuchen gönnten, alles gelten. Was das „Liegenlassien", zu dem Sie mir rieten, anlangt, so muß iah Ihnen gestehen, daß ich in dieser Hinsicht eigentlich immer zu weit gegangen bin: ich habe nämlich fast noch nle Verse ausgefeilt, sondern: immer weggelegt, wte sie waren, froh darüber, daß sie geschrieben waren. Es mag auch eine gewisse Schwäche daran Schuld sein, daß ich mich nur selten zu einem Durchfeilen und Durchprüfen aufraffen konnte. Sie werden mir sicher ein williges Ohr schenken, wenn ich noch kurz von ErlE'bnissen mit Dichtern erzähle, die mir trotz der rauhen soldatischen Umgebung (und vielleicht gerade deshalb umso eindringlicher) gegönnt waren. Ein Reclambüchlein eines Freundes, enthaltend Hölderlill's sämtliche Gedichte, war mir neben Grillparzer ein unvergleichliches Erlebnis. Ich las darin zum ersten Mal „Menous Klagen um Diotima", die ioh zum Schönsten, will sagen, Dichterischesten (verzeihen Sfö mir den Ausdruck!) unserer Sprache reohnen möchte, weiters die herrlichen Oden ,.An das Schicksal" (Nur einen Sommer .. .), ,,Brot und Wein" und „.A:bendphantasie", die sich aus der Fülle der Herrlichkeiten mir besonders deutlich einprägten. 195

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