OÖ. Heimatblätter 1953, 7. Jahrgang, Heft 2

Schiffkorn: ·Heinrich Suso Waldeck ·und Oberösterreich allerhand unerquickliche ·Zwangsschreibereien gehindert, nicht dazu gekommen, Ihnen geziemend zu antworten und zu danken. Nun bin ich seit 23. IX. in Wien und lasse meine Arthritis mit Kurzwellen und Hochfrequenz behandeln, was mir mehr Mühe macht, als dem Arzt. Ihre Gedichte habe ich mitgenommen. Auch heute muß ich sagen, daß ich über diese Verse staune. Was ich in St. Veit von Ihrer Begabtheit gesagt habe, muß ich nun dick unterstreichen. So jung Sie sind, haben Sie sich schon deutlich in die Nachbarschaft Hölderlins gestellt. Wäre ich Ihnen seit längerem und besser bekannt, würden Sie mir eher glauben, wenn ich beteuere, diese Ihre Verse mit großer Fr'eJUde gelesen zu haben und immer wieder zu ihnen zurückzukehren. Ich fürchte, Sie sind schon eingerückt und dieser mein Brief erreicht Sie gar nicht, oder sehr spät. Hätte ich doch schon lilre neue Anschrift erfahren! Dann würde ich Ihnen über jedes Ihrer Gedichte mehr schreiben. Etwa am 20. X. möchte iGh wieder in St. Veit sein, und im Winter werde ich dort wohl aushaITen müssen, obwohl mir die Kälte wahrscheinlich den Garaus machen wird. Ich grüße Sie ergebenst und hoffe auf Nachricht. Treulich Ihr H. S. Waldeck. * An H. S. Waldeck St. Pölten, am 11. Okt. 41. Sehr verehrter Herr Professor! Erst heute komme ich dazu, Ihnen für Ihr wertes Schreiben zu danken, das ich hierher nach St. Pölten, wo ich seit 1. Oktober bei der Panzerwaffe eingerückt bin, nachgeschickt bekam. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, welche Freude ich fühlte, als ich in einer dienstfreien Minute Ihre freundlichen Zeilen las, betreffen sie doch das, was mich im Innersten bewegt und dem mein .jetziges Leben in Vielem gerade entgegengesetzt ist. Daß sich Ihr Gesundheitszustand wieder verschliechtert hat, habe ich mit tiefer Betrübnis gelesen. Möge die Behandlung in Wien Ihre ·Leiden erleichtern und der Besserung entgegenführen; dies hoffe ich mit ganzem Herzen! In der vergangenen Woche habe ich mit dem Militärleben schon etwas Bekanntschaft gemacht. Man gewöhnt sich viel schneller an den hart•m Ton, an das ständige ,,Hinlegen!", ,,Auf, marsch, marsch!", ,,Stillstehen" usw. als man glauben möchte. Kommt dann ,endlich das dienstfreie Wochenende, so ist man nach den Anstrengungen der glücklichste Mensch und lernt das „dolce far niente" erst so richtig schätzen. Für diese Stunden habe ich mir den 2. Teil des Faust mitgenommen, den ich gründlich kennen lernen möchte, weiters Grillparzers herrliches Drama, ,,Ein Bruderzwist in Habsburg", das ich sehr schätze und immer wieder gerne lese. Durch einen Zufall erhielt ich vor einigen Tagen E. A. Poe's „Geheimnisvolle und phantastische Erzählung". Ich weiß nicht, ob Sie diese Dichtungen kennen, die in ihrer Schaurigli:eit und blendenden, phantasievollen Erfindung viel mit unserem E. T. A. Hoffmann gemeinsam haben. Mir persönlich ist freilich diese Welt in mancher Hinsicht entgegengesetzt, doch versenke ich mich gerne in diese seltsamen Träumereien. Ob ich selbst hier zum Arbeiten kommen werde, weiß ich noch gar nicht, Zwingen will ich mich zu gar nichts, doch immer wachsam sein. daß mir auch in der härtesten Realität nicht der „Traum" entschwinde. Daß ich in Ihnen einen Berater und Teilnehmer an meinen Versuchen haben werde, erfüllt·mich mit großer Dankbarkeit. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen in diesem Briefe ein Gedicht mitteile, das ich vor dem Einrücken in Ried geschrieben habe und das mir noch im Gedächtnis ist. Herbstmorgen. über tote Wiesen verblich der Mond, Kühle haucht durch die Wälder, Morgen dämmert den froststarren Feldern. Gift, das in blassen Kelchen blaut, mMd, auf der kahlen Weide das Vieh, noch unter'm Reif blüht es gläsern auf. Sonne steigt üb<er fahle Hügel, zehrt den Tau, daß die Wiesen rauchen, läßt noch einmal die Wälder sprühen. Entschuldigen Sie gütigst meine schlechte Schrift. Der. Lärm von 21 Kameraden in einer engen Stube, die Strohsäcke stopfen, nähen, singen und ähnliches trefüen, erschwert sehr die Konzentration. 193

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