OÖ. Heimatblätter 1953, 7. Jahrgang, Heft 2

Schrifttum vielleicht mehr den Eingeweillten als den weiteren Kreis, auf den das Buch sonst abgestimmt. ist, erkennen, daß in der Gliederung chronologische und stoffliche Gesichtspunkte vereint wurden. Von den Erben des Märzsturmes von 1848 d. s. die großen Pioniere der befreiten Wirtschaft (unter ihnen die Gründer der Linzer Handelskammer), welche als Wolltuch- und Baumwollzeugfabrikanten, Schiffsbauer und Sensenspezialisten, Waffeng-roßerzeuger und Bankleute gleichsam in Neuland um sich griffen, wendet sich der Verfasesr dem Wirken der anonymen Mächte (Kapital, Weltmacht, Maschinen, technische Chemie) zu, die in den sichtbaren Händen jener Pioniere und ihrer wachsenden Nachfolgerschaft mit dem Alten aufräumen und das agrarische Land umzugestalten beginnen. Dann wird Oberösterreichs Anteil an der modernen ökonomischen Entfaltung Altösterreichs abgesteckt: unte,r Förderung einer Wirtschaftspolitik, welche die zentrifugalen Kräfte der Politik zu bannen suchte, wird iim Vierteljahrhundert vor dem Ersten Weltkrieg der Grund zur grandiosen Ausnützung der Wasserkräfte und ihrer praktischen Anwendung in Industrie und Ve,rkehr gelegt, zeigen sich in der bedeutsamen Erfindung von Asbestzement und Eternit, in der technischen und kaufmännischen Umstellung der alten Leinenproduktion (insbesondere des Mühlviertels) und der ra.schen Entwicklung zum Reiseland nicht minder geniale Kräfte und Energien Oberösterreiohs in hellem Licht. Das Kapitel „Ein Reich versank" ist deirn Existenzkampf der Monarchie des weiten Raumes, den Folgeerscheinungen der Katastrophe von 1918 und den Bemühungen, auf allen Gebieten aus Schutt und Trümmern (Umstellung und Konzentration der Betriebe, Bereinigung der Geldkrisen) Neues zu bauen, ge,widmet. Unter dem Titel „Im engen Raum" schildert der Verfasser, mit Seitenblicken auf die große Welt, nicht so sehr die wirtschaftlichen Depressionen dier Ersten Republik als den sie hell überstrahlenden Kampf des Landes ob der Enns um den neuen Platz an der Sonne: die aufsehenerregenden Fortschritte in der Ernährungswirtschaft, das Werden zur ZuckerqueUe und zur ersten Tabakwarenfabrik des Staates, die hervorragende Stellung in der Holzverwertung und als Fremdenland. Noch ausbaufähig dürfte das kurze Kapitel der Jahre 1938-1945 sein, wenn einmal, auf Grund des Restes nicht vernichteter Unterlagen, sine ira et studio über Wirtschaftslenkung, Kriegswirtschaft und Zerstörung hinaus, die Leistung des Landes und die Bedeutung jener Jahre für die Zukunft dargestellt werden können. Mit Recht ist das umfangreichste Kapitel dem „Neuen Aufbau" seit 1945 gewidmet. Das Gewerbe aller Sparten, das im Bau von Wohnungen und Betriebsstätten, in der Nachfrage von Kleiidung und anderem täglichen Bedarf nach Jahren der Drosselung und des Mangels, des Verlustes und der Zerstörung höchsten Anreiz gewinnt, geht in diesem großen, von der amerikanischen Besatzungsmacht mit Kapital und Rohstofflieferungen unterstützten Prozeß voran; die verschiedenen Blutabzapfungen der Währungsgesetze - - vielleicht hätte eine energische einmalige Operation früher zu Genesung geführt - vermochten ihn nur zu hemmen, die rasch fortschreitende Nutzung der Wasser- und Kohlenkräfte und der anderen Schätze des Landes (Holz, Eisen, landwirtschaftliche Produktion) in der Gestalt modernster Werke und in der Welt begehrtester Erzeugnisse (Zellstoff, Kalkammonsalpeter, Leichtmetalle, Motoren, Sensen und Sicheln, Zucke,r, MHch- und Fettprodukte hervorragender Qualität) sowie die Auswertung der einzigarti.gen, freilich durch den West- und Ostkonflikt noch immer beeinträchtigten Transitlage und der Schönheit des Landes (Erneuerung bzw. Ausbau der Schiffahrts- und Schienenwege, Fremdenverkehr) sind sein hervorstechender Inhalt. Es ist e,iner der besonderen VVerte dieses Kapitels, daß es unter dem Eindruck der grandiosen Leistung der Heimat geschrieben ist und mit reichen technischen und betri,ebswirtschaftlichen Einzelheiten aufwarten kann. Der Beziehung zwischen Schule und Wirtschaft, einer sehr wichtigen Frage unserer lehreifrigen Zeit, ist em eigener Abschnitt gewidmet. Ein Namenregister erleichtert die Benützung des Bandes und unterstreicht ebenso wie die zahlreichen Lichtbilder führender Wirtschaftsmänner, die beigegeben sind, das Bemühen des Verfassers, den führenden Köpfen im Urteil der Vergange·nheit i!hr Recht zu geben. Der Leistung und Lage der Arbettersohaft aller Stufen wird eine eigene Darstellung zu diesem Recht verhelfen müssen. Druck und Ausstattung des Werkes weisen auf die hohe Qualität dler Linzer Graphischen Werkstätte, in der es entstanden ist, hin. Alles in allem wird dem Leser der beiden stattlichen und so stoffreichen Bände in einer gewissen Variation das Dichterwort in den Sinn kommen: der Oberösterreicher hat ein Heimatland und alle Ursach es zu lieben. Aber auch, wer nicht zum Lande gehört, wird, ob er sich staatlich, volklich oder sonst mit dem schönen und reichen Boden Oberösterreichs und dessen Menschen verbunden fühlt, darauf stolz sein dürfen. Franz H u t e r 263

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