OÖ. Heimatblätter 1950, 4. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter graphische, als viel mehr wirtschaftliche und geschichtliche Gründe eine Nolle spielen: Willkürliche Zerschneidung von Wirtschaftsräumen und Beseitigung alt¬ gewohnter Verhältnisse wird den Grenzbewohnern immer unbillig erscheinen. Gewiß ist die Feststellung zusammengehöriger Wirtschaftsgebiete auch eine Frage der Geographie, doch wurde von den Vertretern der Grenzgeographie vor allem die Berücksichtigung physisch-geographischer Verhältnisse verlangt, wie dies aus Bezeichnungen wie „natürliche Grenze“, „naturgemäße Grenze“ hervorgeht. Die „ideale“ Grenze wäre nach geographischer Auffassung die, an der sich alle geographischen Gegebenheiten wie Aufbau, Klima, Pflanzenkleid, Bevölkerung, Sprache, Wirtschaft und Verkehr verändern. Eine solche Grenze aber gibt es nicht einmal bei der Abgrenzung „natürlicher“ Landschaftseinheiten, geschweige denn bei politischen Gebietseinheiten. Dies eindeutig klargestellt zu haben, ist das Verdienst Sölchs. Gerade die oberösterreichischen Grenzen2) sind ein Muster¬ beispiel dafür, wie wenig eine rein geographische Betrachtungsweise beurteilen kann, ob Grenzen „berechtigt“ oder „nicht berechtigt“ sind. Hier zu entscheiden, ist viel eher noch Sache des Geschichtsforschers als des Geographen. Ist man nämlich der Ansicht, daß der Wille der Bevölkerung das für die Grenzziehung Entscheidende sein sollte, dann erweisen sich jahrhundertealte Grenzen in der Rege als die beständigsten, weil sie von den Grenzbewohnern am ehesten als gerecht¬ fertigt empfunden werden. Es wird daher Aufgabe einer späteren Betrachtung in diesen Blättern sein, Entstehung und Alter der einzelnen Abschnitte unserer Landesgrenzen zu besprechen. Vorerst soll jedoch einmal versucht werden, eine geographische Wertung der Grenzen Oberösterreichs zu geben unter Berücksichtigung all der Einwände, die oben aufgezählt wurden. Beide Arbeiten sind als Vorbereitung für entsprechende Blätter des Oberösterreichischen Heimatatlasses gedacht. Wollen wir nun zu einer brauchbaren geographischen Wertung gelangen, so müssen wir uns auf die Aufgaben besinnen, die jede politische Grenze besitzt. Ihre ursprünglichste Aufgabe ist es zweifellos, zu trennen, d. h. den über die Grenze gehenden Verkehr zu hemmen, bezw. zu lenken. Grenze und Verkehr sind also ihrer ursprünglichen Aufgabe nach Gegner und es ist dahe für eine Grenzwertung wichtig, den Grad der verkehrshemmenden Kraft fest¬ zustellen und einzelne Arten auszugliedern. Eine weitere Ursache für diese Kraft kann in Unterschieden der Natur- oder Kulturlandschaft liegen, also auf einem ebenso ausgesprochen geographischen Gebiet, und dieser letztere Gesichtspunkt wurde vor allem von den grenzgeographischen Arbeiten bis¬ her gewürdigt und zum Anlaß für die Aufstellung von Wertungen gemacht. Ich habe in meiner Arbeit über die Grenzen Oberösterreichs2) versucht, diese Unter schiede am oberösterreichischen Beispiel aufzuzeigen, kam aber-zur Überzeugung, daß das Zusammenspiel der Verschiedenheiten in Natur- und Kulturlandschaft so mannigfaltig sein kann, daß es unmöglich ist, einige wenige Typen aufzu¬ 2) H. Maurer: Die Grenzen Oberösterreichs, Diss. Wien 1948. 136

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