OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 4

Oberösterreichische Heimatblätter ausgesprochen triebhaft. Die bajuwarische Wesensart hat sich als eine Art „Vor¬ zeitform" bei den Wallnern noch weitgehend erhalten. Vorerst wirken zwar von Jugend auf und auch späterhin die Wallner recht verschlossen und stark zugeknöpft. Man könnte beinahe sagen: sie riegeln nach außen hin ab und sind nach innen gekehrt. Hat man aber einmal den Schlüssel zu ihrem Innenleben gefunden, dann tauen sie auf, werden sogar überraschend gesprächig und mahnen uns zur Vorsicht gegenüber allgemeiner ober¬ flächlicher Beurteilung. Der anscheinend felsenharte, einzelgängerische Mensch zeigt innerhalb einer freilich sehr derben Schale nicht nur einen guten, sondern sogar oft einen weichen Kern. Starke Rauflust und hochgradige Gastfreundlichkeit stehen sich oft hart gegenüber. Der Spieltrieb, der Jagdtrieb, ein starker Geschlechtstrieb und ein allgemeiner Hang zur Unmäßigkeit treten immer wieder deutlich in Erscheinung. Im Hinblick auf ihre Rauflust haben gerade die „Saiger Hanser“ (die Wallner aus der großen Altgemeinde St. Johann) im ganzen Bezirk Braunau eine gewisse „Berühmtheit“ erlangt. Nachdem ich meinen einundsiebzigjährigen Holzknecht vor seinem kleinen Anwesen „beim Kipfengraber“ in Scherfeck zum Sprechen gebracht hatte, erfuhr ich aus seinem Munde allerlei über Rauf-Gro߬ kampftage im Raume von St. Johann. „Heute", so meinte mein Gewährsmann, „haben die jungen Leute keine Schneid mehr, aber auch das Bier ist nichts mehr wert. Aber als ich jung war, da war das Fortgehen noch ein wirkliches Ver¬ gnügen.“ Unterm „Fortgehen“ verstand man den sonn- und festtägigen Ausgang der jungen Burschen, etwa vom 18. Lebensjahre an bis zu ihrer Verheiratung, also bis zum 25. bis 30. Lebensjahre. „Heute gehen ja die Burschen leider schon — kaum daß sie der Schule entwachsen sind — ins Gasthaus.“ Dann erzählte er mir ausführlich von einer berühmten Großrauferei, zu der einmal 36 Burschen aus der Schmolln nach St. Johann kamen. Hier wurde dann im Gasthause drei Viertelstunden tüchtig gerauft. Die ganze Gemeinde St. Johann half gegen die Eindringlinge zusammen, um den Überfall zu rächen. Nach einen langen Hin und Her blieben die „Saiger Hanser“ Sieger. Die Schmollner wurden über das Stiegengeländer geworfen und die St. Johanner beherrschten das Feld. Das Messerstechen erklärte mein trefflicher Erzähler als etwas Verächtliches Anlaß zu Raufereien bot vielfach das Zechenwesen. In St. Johann gob es einstmals vier Zechen lediger Bauernburschen: die Oberecker (von St. Johann Ort), die Frauscherecker, die Stirecker und die Schneidler. Die Stirecker Zeche, der mein „Kipfengraber“ angehörte, war bereits eingegangen. Dann zeigte mir mein Erzähler seine Narben am kahlen Schädel und erzählte mir, auf mein Befragen hin, wie oft er von der Obrigkeit eingesperrt wurdenicht oft. Er sei nur sechs- oder siebenmal in Mattighofen und Braunau ge¬ sessen — aber nie für längere Zeit, sondern höchstens vierzehn Tage. Als Rauf¬ werkzeuge dienten meist die Füße, die man gewöhnlich den Fürbänken ausriß, Bier¬ krügel, aber auch eigene Raufinstrumente. In St. Johann gab es einst einen Mann, der die Erzeugung derartiger Waffen gewerbsmäßig betrieb. Mittels 320

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