OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Oberösterreichische Heimatblätter alten Lehrer Mästlin niederschrieb: „Ich wollte Theologe werden, lange war ich in Unruhe. Nun aber sehet, wie Gott durch mein Bemühen auch in der Astronomie gefeiert wird.“ So fühlte er sich als „Priester des höchsten Gottes im Hinblick auf das Buch der Natur“ und er war davon überzeugt, daß Gott selbst um die Himmelskunde besorgt sei. Daher sah er auch in den Ereignissen, deren Zusammen¬ wirken ihn den Weg zu Tycho Brahe finden ließ, ohne dessen Arbeiten ihm die Entdeckung der Planetengesetze versagt geblieben wäre, das Walten einer gött¬ lichen Fügung. Und in der Tat ist die Vorgeschichte der Begegnung Keplers mit Brahe so einzigartig, ja man darf sagen wunderbar, daß Caspar selbst nicht ansteht, von der „Hand einer höheren Führung“ zu sprechen. Mit der Verleben¬ digung der Stunde aber, in der die beiden großen Himmelsforscher zum erstenmal einander gegenübertraten, bringt Caspar eines der größten Ereignisse der abend¬ ländischen Geistesgeschichte so nahe an uns heran, daß wir meinen könnten, ein Nachhauch des schöpferischen Atems jener Stunde wehe unsere Stirnen an. So folgen wir mit wahrer Aufgeschlossenheit den weiteren Ausführungen des Ver¬ fassers über das gewichtige Thema „Kepler und Brahe“; wir treffen die Beiden in gemeinsamer Audienz vor Rudolph II., der sich an Kepler wendet, um ihm zunächst Glück zur Genesung aus schwerer, bedrohlicher Krankheit zu wünschen, und ihm dann den Auftrag erteilt, mit Brahe vereint die neuen Planetentafeln zu bearbeiten; Brahe selbst aber huldigt dem Kaiser mit der Bitte, das auf¬ getragene Gemeinschaftswerk als „Tabulae Rudolphinae“ bezeichnen zu dürfen. Mit der bildhaft wirkenden Hervorhebung dieser folgenreichen Audienz sichert sich der Verfasser von vornherein die Anteilnahme des Lesers an dem Werdegang der „Rudolphinischen Tafeln“, der sich über ein Vierteljahrhundert hinausziehen und Keplers äußere Lebensumstände, so auch seine Übersiedlung nach Linz und die Dauer seines Linzer Aufenthaltes, mitbestimmen sollte. Auf Linz setzte Kepler in den Wirren seiner letzten Prager Jahre große Hoffnungen; denn diese Stadt, dachte er, wäre der richtige Ort, wo er Ruhe hätte, seine „unter dem Schutz und zu Ehren des Hauses Österreich“ angefangenen Werke — womit er vor allem die „Rudolphinischen Tafeln“ meinte — fortzusetzen und zu vollenden. In diesem Gedanken wurde er durch Freunde bestärkt, die er in den protestantischen Adelskreisen Oberösterreichs hatte; schon im Dezember 1610 forderte ihn Helmhard Jörger auf, seinen Wohnsitz nach Linz zu ver¬ legen; Erasmus von Starhemberg und Georg Erasmus von Tscher¬ nembl, die protestantischen Führer Oberösterreichs, brachten schließlich seine Berufung nach Linz in Gang, indem sie an der Landschaftsschule eine Stelle für ihn schaffen ließen. Denn im Gegensatz zu Graz, wohin Kepler auf eine erledigte Lehrstelle berufen worden war, hatte er an der Linzer Landschaftsschule keinen Vorgänger. So ist nach Caspar anzunehmen, daß Keplers Gesuch um Aufnahme in die Dienste der obderennsischen Stände vom 10. Juni 1611 vorher mit jenen führenden Männern verabredet worden sei und daher auch nur formellen 272

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