OÖ. Heimatblätter 1949, 3. Jahrgang, Heft 3

Lipp: Die geistige Kultur der Gensenschmiede in Oberösterreich Großartig sind die Beispiele für die Verbundenheit der Sensenschmiede mit der belebten Natur. Es ist da auf die Gärten, Bäume und Blumen hin¬ zuweisen, deren Pflege, Wartung und Achtung in allen Sengstschmiedfamilien ungeschriebenes Gebot war. Da ist etwa jene Sensenschmiedin zu erwähnen, die bei Lebzeiten ihren ganzen Besitz den Kindern überläßt, sich selbst aber Alm und Wälder vorbehält, oder jene andere, die sich zu ihrem Lebensende auf die Gradn¬ alm zurückzieht. Überhaupt diese Gradnalm! Wie wurde diese „große und schöne Umsicht“ wertgehalten und geschätzt. Von vielen Dutzenden ihrer für die damalige Zeit sehr erstaunlichen Bergpartien und Wanderungen hinterläßt die Helmltochter Josefa Zeitlinger künstlerisch gestaltete Herbarienandenken. Und was erst bedeutet das Tier den Schmieden! Die Vorliebe für das Pferd teilen sie mit ihren baiwarischen Stammesgenossen, dasselbe gilt auch für die Hunde. Schon im 18. Jahrhundert beginnt die Darstellung der Leibhunde auf den Porträts, die im 19. Jahrhundert besonders bei der Zeitlinger-Verwandtschaft allgemein wird. Wie rührend ist doch das Porträt des alten Carl Steinhuber mit seinem Hund, der auf dem Halsband die Anfangsbuchstaben seines Herrn trägt. Und sind es nicht Hunde, denen sich die besondere Liebe zuwendet, so sind es Katzen oder Vögel oder alles zusammen. Von einer Sengstschmiedfamilie geht die mündliche Über¬ lieferung, ein förmliches Katzenhaus gehalten zu haben. Stubenvögel und ein prächtiger Hühnerhof mit Enten, Gänsen und Pfauen gehörten zu jedem Werk. Sogar die stummen Bewohner der Tiefe schloß diese Liebe mit ein, so findet man heute noch im Hierzenbergerwerk in Spital am Pyhrn erlesen beschickte Aquarien in der ehemaligen Wohnstube. Als Jäger waren die Sensenschmiede auch Heger. Einige Sensenschmiede unterhielten sogar einen Hirschgarten und von Josef Wein¬ meister, Meister in Prietal, wird glaubhaft überliefert, daß er mit einem prächtigen Hirschgespann ausgefahren sei. So wußte jener russische Sensenhändler sehr wohl, eine wie große Freude er seinem Geschäftsfreund Kaspar Zeitlinger bereitete, als er ihm zwei lebende Bären zum Geschenke machte. Auch heute ist die Natur¬ verbundenheit und Tierliebe in den Sensenschmiedfamilien noch durchaus lebendig. Diese Naturverbundenheit der Sensenschmiede ist jedoch keine sentimental über¬ steigerte, sondern eine natürliche und unreflektierte. So sehen wir auch im Leben und Sein der Sensenschmiede die bleibenden Züge und Charaktereigenschaften gegenüber den seelischen Spannungen und Wechselwirkungen überwiegen. Daß dieses Beharren keine Trägheit bedeutet, dafür bürgen unzählige Zeugnisse. Die geistige Regsamkeit hält sich jedoch in den Grenzen des Handwerks und richtet sich lieber auf die Dinge der Technik und der Außenwelt, die man nicht nur vom Hörensagen kennt. Es war nicht im Sinne und Interesse des Handwerks gelegen, eine Zucht¬ anstalt für geistige Qualitäten zu sein, vom Instinkt her kannte man den Geist nicht nur als Widersacher der Seele, sondern auch der Tugenden schlichten ehrlichen und in sich selber ruhenden, sich selbst genügsamen Handwerks. Trotzdem ent¬ stiegen dem sensenschmiedischen Blut immer wieder auch ausgesprochene geistige 249

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