OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Goldinger: Dr. Ignaz Zibermayr Kolleg über Archivkunde gelesen, welches Fach seit 1874 in den Lehrplan auf¬ genommen und anfangs von Kürschner, später von Uhlirz vertreten war. Was aber damals dort geboten wurde, ging kaum über eine Geschichte des abend¬ ländischen Archivwesens im Zusammenhang mit einer allgemeinen Urkundenlehre hinaus. Zibermayr hat aber von Anfang an bei allen Aufgaben, vor die er als Archivar gestellt war, den jeweiligen Stand der theoretischen Archivlehren, die eben seit der Jahrhundertwende sich immer stärker entwickelten, berücksichtigt. Nirgends findet man heute, seit die Fachbücherei des alten k. k. Archivrates beim Brand des Wiener Justizpalastes vernichtet worden ist, das Fach Archivkunde so reichhaltig und so geschlossen beisammen als in der Handbibliothek des oberöster¬ reichischen Landesarchivs. Und Zibermayrs Arbeiten nehmen immer wieder kritisch Stellung zu den Problemen, die in der archivwissenschaftlichen Literatur aufgeworfen wurden. Man muß nur seine verschiedenen Veröffentlichungen, vor allem auch seine Jahresberichte, unter diesem Gesichtspunkt untersuchen, um er kennen zu können, wie so oft in einer Randbemerkung, einem unscheinbaren Neben¬ satz der Meister der Theorie ebenso hervortritt wie der große Praktiker. So gehört Zibermayr jener Generation österreichischer Archivare an, die wie Heinrich Kretschmayr, Ludwig Bittner und der jüngere Lothar Groß ihren Rang als führende Historiker harmonisch in Einklang zu bringen vermochten mit ihrer Bedeutung als Praktiker des Archivdienstes. Diese Generation löst jene ab, der noch Redlich angehörte, die die Archive fast ausschließlich nur vom Standpunkt des Benützers, des zu erwartenden Erträgnisses für die wissenschaftliche Forschung, als die Lager des Quellenstoffes ansah, den sie dann wieder je nach größerem oder geringerem Alter höher oder niedriger bewertete. Inzwischen ist aber das Haus der Geschichtswissenschaft zu eng geworden, immer neue Zeiträume heischten Beachtung und Berücksichtigung, neue Quellen und Probleme wuchsen stetig zu. Auch hierin ist Zibermayr, ohne Modeströmungen zu folgen, sicher vorangeschritten. In organisatorischen Fragen hat er dort, wo es ihm richtig schien, den Zusammenhang mit Wien und den von dort ausgehenden Bestrebungen hergestellt, er hat die Errichtung einer Fachbehörde, wie sie Michael Mayr, als er Bundeskanzler geworden war, durch die Schaffung des Archivamtes versuchte, durchaus begrüßt und er hat, als es dann später zur einheitlichen Re¬ gelung des Schutzes der Schriftdenkmale und mit tatkräftiger Unterstützung Oswalt Redlichs zur Bestellung einer Archivfachmännerversammlung, später des Archiv¬ beirates kam, auch in diesen Gremien ein gewichtiges Wort zu sagen gehabt. So wurde er denn auch in den Geschäftsausschuß berufen und zum Stellvertreter des Vorsitzenden des gesamten Archivbeirates gewählt. Daß er bei der Durchführung des Archivschutzes, der praktisch nur von den Landesarchiven besorgt werden kann, gleichfalls Oberösterreich in die erste Reihe der Erfolge rückte, braucht nicht be¬ sonders unterstrichen zu werden. Auch auf einem dornenvollen Gebiete, wo theoretische Grundsätze mit alten, aus der geschichtlichen Entwicklung sich herleitenden Besitztiteln leicht in Wider¬ 139

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