OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Bausteine zur Heimatkunde Haben die fleißigen Zimmerleute auf der Wiese neben dem Hause ihr Werk soweit gefördert, daß der neue Dachstuhl abgebunden werden kann, dann rüstet sich die schon vorher bestimmte Zeche im stillen Einverständnis mit Besitzer und Zimmerleuten zum Stehlen des Firstbaumes. Dieses Einvernehmen geht so weit, daß der Zimmerpolier wohl selber jenes wichtige Stück bezeichnet, ohne das der Dachstuhl nicht vollendet werden kann, den Firstbaum. Dieser mächtige, manchmal auch aus zwei bis drei Teilen „geschiftete“ Balken wird nun zu nächtlicher Stunde auf den Schultern der „Zechbuam“ vom Zimmer¬ platz fortgetragen. Bei besonders großen und schweren Firstbäumen begnügt man sich mit dem Stehlen eines Teilstückes. Auf jeden Fall aber wird der nächtlich ent¬ wendete Balken sorgsam verborgen und getreulich bewacht, damit er ja nicht aber¬ mals durch eine andere Zeche gestohlen werde. Auch das kam in der letzten Zeit vor und führte zu schweren Hänseleien und Raufereien. In seinem Versteck wird der Firstbaum nun unter tätiger Mitarbeit der „Zechmenscher“ ähnlich wie ein Maibaum „gekranzt“, das heißt, mit Reisig¬ gewinden, bunten Bändern, Fähnchen und Spruchtafeln geziert. Auch die drei „Büscherl“, kleine, mit bunten Papierbändern gezierte Tannenwipfel, die die Stelle des „Gleichenbäumerls“ vertreten, dürfen nicht fehlen. Knapp vor dem endgil¬ tigen „Aufstellen“ des Dachstuhles wird der so geschmückte Firstbaum dann in feierlichem Aufzuge von den ähnlich wie bei der Hochzeit mit „Büscherln“ am Rockumschlag ausgestatteten Zechbuam auf den Zimmerplatz zurückgetragen oder gefahren. Die Wimplinger Zeche in Mettmach, die auch über eine eigene Zechenmusik verfügt, gestaltete diese Rückgabe des Firstbaumes im Mai 1948 zu einem förm¬ lichen Volksfest aus, indem sie folgendermaßen vorging: Dem geschlossenen Zuge weit voraus zog ein ulkiger Vertreter der „Maifa“¬ Räder. Nach dem Kriegsende tauchte nämlich im Bezirke Ried ein Fahrraderfinder namens Mair Franz auf. Er behauptete, ein Fahrrad ersonnen zu haben, das einzig und allein durch das Körpergewicht seines Besitzers angetrieben werde, da her umso schneller und leichter laufe, je schwerer sein Fahrer sei. Als tüchtiger Ge¬ schäftsmann betrieb dieser Wohltäter der radfahrenden Menschheit eine Gro߬ werbung für seine „Maifa“-Räder, nahm allerorten eine ausgiebige Anzahlung entgegen und verschwand schließlich mit ihr spurlos auf Nimmerwiedersehen. Ein findiger Bursche der Wimplinger Zeche hatte sich nun aus dem Vorder¬ teil eines alten Fahrrades, einer Wagenachse, zwei Rädern und der Antriebskette eines ausgedienten Heuwenders ein seltsames Ungeheuer gebaut, auf dem er da¬ hinfuhr. Vom rostigen löchrigen Stahlhelm auf dem Kopfe schrie in grellen Farben das Wort „Maifa“ herunter. Auf dem Soziussitz des Vehikels saß ein mundge¬ wandter Vertreter dieses patentierten Fahrzeuges, trug ein riesiges Bestellbuch unterm Arm und sammelte unter allerhand „Faxen“ Anzahlungen von je einem Schilling ein. Das so gewonnene Geld gehörte der Zeche zum Umtrunk. 189

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