OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 2

Oberösterreichische Heimatblätter Sepp und der beankate Hager Päul den Krallen seiner Peiniger in heldenhaftem Kampfe entrissen, es wäre ihm wohl noch schlimmer gegangen. Einige Bauern sind noch auf eine Halbe ins Gasthaus hinübergewechselt. Auf der Kegelbahn gehts auch schon lustig zu. Die Kugel rollt und der Silberling rollt beim „Schanzeln“. Denn die Knechte denken heut so bald nicht ans Heim¬ gehn. „Der Bauer kann auch einmal die Roß selber füttern“, denken sie sich nicht mit Unrecht. Denn jetzt braucht der Bauer Leut und muß nachsichtig sein. Ein paar Doppelliter marschieren auf und bald ertönt es im kräftigen Chor: „Dem Wampl, dem Wirt, dem g'hört ane gschmiert Der hat uns zan Saufen verführt.“ Aber auch diese Nachfeier nimmt schließlich ihr Ende. Und gegen Abend sieht man die Moar-Buam und Moar-Dirnen eifrig mit Distelstechen auf dem Felde beschäftigt. Morgen ziehn die Neukirchner ja nach Lambach und da wärs eine schöne Schand, wenn in den Moarfeldern das Unkraut stünde. So klingt auch dieser Bauerntag aus in Arbeit, bis das Ave-Läuten die letzten ins Haus ruft. Vinzenz Müller (Linz). Firstbaumstehlen Ein Alt-Innviertler Zechenbrauch aus der Rieder Gegend Die uralte, einst im gesamten Nieder Bezirk beheimatete Sitte des First¬ baumstehlens war in den letzten Jahren vor 1938 scheinbar völlig in Vergessenheit geraten. Aber im Jahre 1945 lebte sie im Zusammenhang mit dem Neuaufbau der Bauernhäuser in Zechenkreisen wieder auf und wurde seither von den ländlichen Burschenbünden zu einem förmlichen Wettbewerb ausgebaut. Schier jeder Bauerngutbesitzer im Innviertel hat persönliche Beziehungen zu einer Zeche. Entweder gehörte er in jungen Jahren selber zu einer solchen Kame¬ radschaft der ledigen Burschen oder er steht durch Söhne und Knechte mit ihr in Verbindung. Wird nun über Haus, Hof oder Stadel ein neuer Dachstuhl aufge¬ stellt, dann werden diese Verbindungen zum „Firstbaumstehlen“ ausgenützt. Das bäuerliche Haus steht durchschnittlich 150 Jahre. Es überdauert also mehrere Geschlechter von Inwohnern, trägt einen vom jeweiligen Besitzer unab¬ hängigen besonderen „Hausnamen“ und erscheint so ganz natürlich als der ruhende Pol in der Flucht der Generationen. Kein Wunder, daß da jedem Neubau be¬ sondere Sorgfalt zugewendet wird. Die nüchtern stoffliche Denkweise unserer Tage will im „Firstbaumstehlen“ nur mehr ein Mittel sehen, um sich die kräftigen Fäuste und starken Arme einer Zeche für die schwere Arbeit des Dachstuhlsetzens zu sichern, denn auf dem Lande sind die Arbeitskräfte rar geworden. Das damit verbundene Brauchtum aber weist durch seine Verwandtschaft mit Faschingzug, Maibaum- und Hochzeitsitten klar darauf hin, daß es sich auch hier um eine ursprüngliche Besegnung, also um Bannen der guten und Abwehr der bösen Mächte handelt. 188

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