OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Mutter: Das Heimathaus der Stadt Steyr merich Grafen von Lamberg zurückzuführen ist, gleicht kein Stück dem anderen. Ein Zauber naiver Volksphantasie weht uns an. Es wimmelt von Figuren; ganze Jagdszenen, auf kleinstem Raum zusammengedrängt, gehen an uns vorüber. Scherzsprüche stehen da und dort. Da ist ein Taschenfeitel, aus dessen Innerem eine Anzahl Liliputmesserchen hervorkommt, kaum 2 cm lang; ein Riese von einem Taschenfeitel liegt daneben, ein Messer in Verbindung mit einer Pistole, wieder eines in Form eines Pferdefußes, eines Hundes, eines Stiefels usw. Die Griffe aus dem mannigfaltigsten Material, die Klingen auf die seltsamste Weise geschwungen, alles drückt feurigstes Leben aus und Liebe zum Eisen, das sie alle nährte. An der Wand können wir die vielfach verschlungenen Linien verschiedensten Gitterwerks bewundern. Fenstergitter mit Stabgeflecht, mit mannigfachsten Durchstoßungen, Schlingenachter, Eisenbänder aus drei Jahrhunderten, Groteskenblechschnitte, Beschläge von der Gotik bis heute. Türklopfer mit Schlangenmotiv, Fahnenkrönungen, eine Unzahl von figuralen Gelbgüssen (nur ein Bruchteil konnte ausgestellt werden), bei 20 Waffeleisen des 17. und 18. Jahrhunderts mit Darstellung des Osterlamms und öfters auch des Doppeladlers sind zu sehen. Dann ist eine Sammlung von Bügeleisen, ebenfalls eine Lambergspende, im Besitz des Heimathauses. Seltsam mutet den Besucher eine Anzahl von Werkzeugen an, deren Gebrauch nicht mehr zu deuten ist. Diese Zeugen planlosen Sammelns klagen an; sie sind dadurch fast entwertet. Aber es haftet an ihnen ein Schauer von Reiz und Schönheit, der sie vor dem Vergessen bewahren wird. Das Haus besitzt noch einen Rest aus der Sammlung von Beleuchtungskörpern, die in der Beleuch tungsausstellung 1884 ausgestellt waren. Eine Gruppe von schönen Grabkreuzen ist noch zu nennen, die in dem stimmungsvollen Garten des Heimathauses aufgestellt sind, als wäre er ein Friedhof. Leider versinken sie in der grünen Zeit unter einem Gewirr von Bohnengewächsen, die das Werk der Zerstörung noch beschleunigen. Sie rufen uns um Hilfe an. Wie im Mittelpunkt der stadtgeschichtlichen Abteilung das Stadtrichterschwert als Wahr¬ zeichen steht, so wird die volkskundliche Sammlung durch das herbe Symbol des bäuerlichen Lebenskampfes, den Pflug, eingeleitet. Ein zweites Zeichen steht gleich daneben, es kann als Symbol bäuerlichen Lebensgenusses gelten: eine gewaltige Mostpresse. Sie stammt vom Kollergut in der Gemeinde St. Ulrich bei Steyr und trägt die frühe Jahreszahl 1736. Dann folgen zwei Bauernhausmodelle, ein Vierkanthof und ein Haufenhof, an der Wand eine farbige Darstellung der eisenbearbeitenden Gewerbe im Gebiet von Steyr und in der Eisenwurzen und der Siedlungsformen im Bezirk Steyr und Kirchdorf. Nun folgt die bäuerliche Kunst des Alpenhinterlandes von Steyr, bei der die häufige Verwendung des Gamsmotivs auf Pfeifen, Trinkfäßchen, Mangelbrettern auffällt. Ein schöner, formenreicher, zerlegbarer Buttermodel ist zu sehen. Das Wirtshauszeichen der Jäger und das Zunftzeichen der Flößer stellen die Verbindung zwischen Alpenvorland und Steyr her. Nun folgt eine unabsehbare Reihe von Kleinfiguren, meist religiösen Gegenstands: Hirten, Lämmer, hl. drei Könige; hieher gehört auch das Spielzeug aus Steyrer Bürgerhäusern, das aber seinen Ursprung im alpenländischen Hinterlande und weiter, in der Viechtau, Hallein und Berchtesgaden hat. Aus der Viechtau sind auch die Godenschalen, Löffel, Multerl, Krösenbüchsen. Die Aus¬ stellung der Puppen umfaßt über 300 Puppen aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Sie geben kaum einen Anhaltspunkt für trachtengeschichtliche Forschung. Die willkürlichste Phantastik macht sich in den Kleidern geltend. Sie sind durchschnittlich 30 cm hoch, Kopf, Hände und Unter¬ schenkel meist aus Holz mit Drahtverbindung, auch Wachsköpfe finden sich. Die Typen sind mannigfachster Art: Ritter, Engel, Bauern (Tiroler), Geistliche, Könige, Mohren, Pferde, Kamele, Reiter, Soldaten usw. Unter den Pferden ragen zwei Exemplare durch die hohe Kunst ihrer Gestaltung so sehr hervor, daß sie die Durchschnittsqualität der Volkskunst weit hinter sich lassen: Vollblutgebilde, von der Kraft des edelsten Barocks gebändigt. Obwohl einst die altsteyrische Hafnerzunft ein stattliches Gewerbe zusammenfaßte, das sich bis ins 16. Jahrhundert verfolgen läßt, sind nur wenige Zeugnisse davon, besonders an Kacheln, im Besitz des Heimathauses. Die alte Steyrer Firma Sommerhuber hat aus ihrer Sammlung alter Kacheln einige sehr schöne Stücke als Leihgabe zur Verfügung gestellt. Bauernschüsseln,

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