OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter Bezeichnung und Begriff des „Bilwis" 6) sind, wie gesagt, uralt. Schriftlich überliefert finden wir ihn (vgl. Wiener Zeitschrift für Volkskunde 1933) zum erstenmal in Wolframs „Willehalm“ (324,6): „... sie wolten, daz kein pilwiz si da schüzze durh diu knie“. 1387 spricht eine Wiener Handschrift von „pilwizz¬ schos (sagitta Dianae)“. Bertold von Regensburg kennt den „pilwis". Ende des 14. Jahrhunderts ist von „Pilbisbäumen“ die Rede und 1483 heißen im Wei¬ marischen die Hexen ganz allgemein „Bilbisse“. Astknoten an Fichten („Hexen¬ besen") nennt man im Kärntnerischen heute noch „Pilfasäste“ oder „Pilfasknöpfe“ sie gelten, an Tore genagelt, als Blitzschutz oder zerstoßen als Räucher- und Heil¬ mittel. Sinngemäß heißt das herenschußartige Gliederreißen dort ebenfalls „Pilfas“. Der Ausdruck „Pilmiskind“ für „Teufelskind“ findet sich in der zeit¬ genössischen Schilderung der Schußfestigkeit eines „gefrorenen“ Mansfeldischen Soldaten anläßlich der Belagerung von Pilsen 1619 62). Erwähnt auch die preußische Kirchenagende von 1530 den „pilunytus“ als Korngeist (Ceres), so hat sich der Bilwis über die Vorstellung des durch Geschosse (d. i. Krankheit) schaden¬ den Unholdes hinaus als Feldschädling doch hauptsächlich im deutschsprachigen Osten und Süden, in Schlesien, Thüringen, Sachsen, Bayern und im Sudeten-, Alpen- und Donauraum erhalten. Die Chemnitzer Rockenphilosophie spricht von einer „art hexenschnitt, so auf dem felde geschehen soll“. Schon im 18. Jahrhundert überliefert sich also die Anschauung, daß „dem Pilzerschnitter der Getreidezehnt zufallet". Die Art, wie dieser Korngeist den Schaden macht, ist immer die gleiche: er streicht, meist in dunklen Nächten, durch die Ährenfelder und schneidet sich (aus eigene Rechnung oder im Auftrage irgendeines anderen Unholden) mit einer Sichel Reklamausgabe). Bileygr, ein Beiname Odins, bedeutet „blitzäugig" (siehe An Icelandic-English Dictionary von Richard Cleasby und Gudbrand Vigfusson, 1874, wo auch Bil in der Bedeutung des Blitzens eines Auges — twinkling of an eye — angeführt ist). Das Grundwort in Bilwiß aber ist ahd. wizi, altnordisch viti, das auch in Iteweiz, ahd. itawiz, und Hellweiz, ahd. hellawizzi, enthalten ist und Spuk bedeutet. Siehe A. Schmeller, Bayr. Wörterbuch, II. 1059 — 1061: weizen = spuken, umgehen; Höllweiz, isländisch helviti = Höllenspuk. Die Doppel¬ form pilbiz(-wiß) und bilwitz — so schon bei Wolfram von Eschenbach im Willehalm, 324, 6 - ist aus einem älteren flexivischen Nebeneinander von tí und ti zu erklären. Ein Seitenstück hiezu ist Weizen (Getreide), zu dem es in Schwaben, Hessen und Thüringen eine Nebenform Weißen gibt, was auch Schmeller, a. a. O. II 1020 feststellt. Bilwit, Bilwiß, Bilweiz bedeutet demnach „Blitzspuk“ und beweist, daß die Alten als gute Naturbeobachter ganz genau um die Entstehung des Bilwißschnittes wußten.“ 6) Wenn im bayrischen Raume auch Habergais und Bilwis nebeneinander auftreten, so ist eine Beziehung doch unverkennbar. „Haber“ hat hier nichts mit der gleichnamigen Getreideart zu tun, sondern bedeutet ahd. „Bock“ und weist auf Donars heiliges Tier. Da er zugleich Wetter¬ und Erntegott war, so ist die Verbindung eines feldschützenden, daher durch Opfer (erste und letzte Garbe!) verpflichtbaren Wesens mit einer mangel- oder todbringenden Gewalt nicht nur dieser Gottheit, sondern auch ihrem sinnfälligen Begleiter, dem „Haber“, anhaften geblieben. 6a) „Wahrhaffter Bericht von der Belagerung und mit gestürmter Hand Eroberung der Stadt Pilsen inn Behem.“ G. Freytag, Bilder aus der deutschen Vergangenheit, Zweiter Teil (Leipzig 1859) S. 67. 54

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2