OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Bausteine zur Heimatkunde Der Bilwis Der Mittag sonnt sein güldnes Haar — Schleift da im Korn nicht leiser Tritt? Singt da nicht silberner Sichel Schnitt? Komm, Kind, mein Kind! Das ist die Mahr! der Im Norden die „Mahr“, die „Kornmuhme“, die „Roggenmuhme“, „Roggenwolf“, die „Roggensau“, der oder die „Alte“, das „Roggenweib das „Hackelweib“, der „gamle Mand“ der Dänen, der „skurekajl“ der Norweger, im Osten der „Sichelmann“ oder „Mittagsgeist“, der „Dziad“ der Polen, im Süden der deutschsprachigen Gebiete die „Habergais", der „Bilmaz“*) oder „Bilwis" 2) auch der große „Pan“ der alten Griechen, sie sind immer dieselbe Gestalt aus dem urfern-alten indogermanischen Glauben: bald mit dem Bocksfuß in dunklem Haar¬ gezottel schreckt es im sonnedurchgluteten Mittag, da selbst „das Meer, schlaf¬ gewiegt, auf reglosen Lagern ruht“ 3), die Hirten oder es stiehlt Kinder *) oder es sichelt sich in tauender Nacht mit silbernem Messerchen am Zeh im Korn die selt¬ samen Gänge. Glückliche Welt, da sich noch die Einbildungskraft der Menschen Fels und Strom, Baum und Gezeiten, Wind und Flur, Werden und Hingang mit Holden oder Unholden zu beleben wußte! Heute erklärt man sich die ganz schmalen, kaum handbreiten, mitunter verästelten Gänge in Getreidefeldern samt den ab¬ gesengten Stoppeln sehr nüchtern mit Blitzschlag, der einer Wasserader entlang lief 5). Diese Erscheinung ist selten genug und wird durch die planmäßigen Grund¬ entwässerungen immer unbekannter. Die Lichtbilder (Bildtafel 2, Abb. 1 und 2) zeigen einen solchen Bilwis-Schnitt, aufgenommen 1935 unweit des sogenannten Franzosenkreuzes zwischen Bundesstraße und Neumühle nordöstlich von Freistadt. *) In Thüringen und im Egerland. 2) Der Annahme bei Scherzer, Gau Bayrische Ostmark, Brauchtum im Jahreslauf von Friedr. H. Schmidt, S. 387, wonach die Gestalt des Bilwis eine Besonderheit Nordostbayerns darstelle, ist ganz und gar nicht beizupflichten. 3) Aeschylos, Agamemmnon. Trotzdem bleibt Lutz Mackensen (Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde 8/1933) zu sehr an der Oberfläche, wenn er meint, daß alle diese Gestalten lediglich als Kinderschreck erdacht seien. 5) Vgl. auch Johann Sigl (Kleinzell), Der „Durchschnitt oder „Pillwißschnitt", „Heimat gaue“ Ig 6 1925 S. 63 und J. Scheidl, Die Entlarvung des Bilwis durch die Wünschelrute, „Natur und Kultur“ Ig 10/1932. — Herrn Dr. Franz Stroh (Linz) verdanke ich einen höchst bemerkenswerten sprachkundlichen Hinweis. Er lautet nach einer brieflichen Mitteilung: „Im Wörterbuch der deutschen Volkskunde (1936) schreibt R. Beitl im Kapitel „Bilwis“ S. 88: „Singer stellt Bilwis zu belluwitte als euphemistische Namengebung und als Substantivierung des altenglischen Adjektivs bilewit = wohlwollend. Indes bedarf die Etymologie des Namens wie die Geschichte und Geographie der Sage noch weiterer Forschung.“ Auf Grund längerer Beschäftigung mit dieser Frage glaube ich, einen Beitrag zur Klärung dieses schwierigen Wortes leisten zu könnnen. Die bisherigen Deutungsversuche gingen deshalb in die Irre, weil sie den Sinn der beiden Wortbestandteile bil und wit (wiß) nicht erkannten. Aus den altyordischen Götterbeinamen Bileygr und Bilskirnir geht hervor, daß bil ein altes Wort für Blitz ist. Hans von Wolzogen übersetzt Bilskirnir (Beiname Thors) mit „Blitzeblink“ (Grimnismal, Edda in der 58

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2