OÖ. Heimatblätter 1948, 2. Jahrgang, Heft 1

Weinberger: 100 Jahre Eiszeitforschung in Oberösterreich Der erste Forscher, der den glanzvollen Reigen beginnt, ist August Böhm. Nach zweijährigen Feldbegehungen veröffentlichte er 1885 seine Arbeit über den Enns-Steyr-Gletscher“1). In dieser Monographie werden die Gletscher bis Alten¬ markt verfolgt, das Gletscherende bei Kleinreifling vermutet. Das Ennstal wird erklärt durch Erweiterung infolge Gletschererosion. Böhm stellt den selbständigen Ursprung des Steyrgletschers fest, verfolgt aber auch die Zuflüsse aus dem Enns¬ gletscher. Unter allgemeinen Gesichtspunkten bespricht er die Akkumulation und Erosion, die Kare und Seen usw. 1886 erschien die richtungweisende Arbeit Eduard Brückners über den Salzachgletscher“2). Brückner war ein Schüler A. Pencks und später sein Nach¬ folger an der Lehrkanzel für Geographie an der Universität Wien. Penck schreibt 63) „Ich sehe ihn noch vor mir, wie er als junger Student vor 44 Jahren zu mir kam, um bei dem jungen Privatdozenten Geographie zu hören. Ich schlug ihm vor, mich sogleich auf einer Exkursion nach der Höttinger Breccie zu begleiten . .. Brückner sah meine Art der Beobachtung und Schlußfolgerung. Beides war ihm kongenial, und aus dem Schüler wurde alsbald der Freund ... Als Thema der Dissertation empfahl ich Brückner die Bearbeitung des alten Salzach¬ gletschers, den ich in meiner Darstellung der Vergletscherung der deutschen Alpen nicht näher hatte einbeziehen können. Mit Begeisterung ging er an die Arbeit, für welche damals nicht so gute topographische Karten vorlagen wie heute. Um das glaziale Zungenbecken durch eine Höhen¬ schichtenkarte ersichtlich zu machen, mußte er auf bayerischem Gebiete Hunderte von barometrischen Höhenmessungen vornehmen ... Seine glazialgeologischen Untersuchungen führten zum gleichen Ergebnis über die Gliederung der Eiszeitbildungen und die glaziale Bodengestaltung, wie ich sie weiter westlich gewonnen hatte. Man hat deswegen gesprächsweise Brückner einen Vorwurf gemacht. Aber er konnte die Dinge doch nicht anders sehen, als sie liegen ... Brückners Promotion war die erste geographische in München. Ich konnte als Privatdozent prüfen; die Ordinarien hörten zu. Wir hatten uns beide gut vorbereitet, zuletzt auf einer gemeinsamen Exkursion; in Ebenhausen eingeschneit, studierten wir mitgenommene Bücher, aber keiner ließ den anderen wissen was. Die Dissertation über „Die letzte Vergletscherung des Salzachgebietes (München 1885) umfaßt einen Teil seiner Abhandlung über die Vergletscherung des Salzach¬ gebietes, die den Reigen der von mir herausgegebenen geographischen Abhandlungen eröffnete. Das Buch machte Brückner sofort in der wissenschaftlichen Welt bekannt; es knüpft zum Ver¬ ständnis glazialgeologischer Beobachtungen wiederholt an solche an heutigen Gletschern an und zeigt durch Beobachtungen über die Eiszeit in der Schweiz, daß sich die Glazialablagerungen dort ebenso gliedern wie die in Ober-Bayern. Dauernd war der Gewinn, den Brückner durch die Arbeit hatte. Sie hat ihn mit Feldbeobachtung vertraut gemacht, deren Beherrschung für den Geographen unerläßlich ist“. Der bekannte Gletscherforscher Sebastian Finsterwalder“4) schreibt im Nachruf für Brückner: „Überblicken wir Eduard Brückners wissenschaftliches Werk, wie es sich in den zahlreichen, an 200 Nummern umfassenden Veröffentlichungen darstellt, so fällt schon seine Doktordissertation über die Vergletscherung des Salzachgebietes durch ungewöhnliche Reife des Urteils in schwierigen “1) A. Böhm, Die alten Gletscher der Enns und Steyr, Jahrbuch der geologischen Reichs¬ anstalt Bd 35 (Wien 1885) S. 429. 62) E. Brückner, Die Vergletscherung des Salzachgebietes nebst Beobachtungen über die Eiszeit in der Schweiz, Geogr. Abh. 1/1 (Wien 1886). 63) A. Penck, Eduard Brückner, Geographische Zeitschrift 34 (1928) S. 65. 64) S. Finsterwalder, Eduard Brückner, Zeitschrift f. Gletscherkunde 16 (1928) S. 4/5. 15

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