OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 4

Kastner: Die Kirchenkrippe von Altmünster Vorwurf entsprechend verkörpert sie eine dem ländlichen Leben Nahestehende. So ist ihre Tracht weit entfernt von den klassischen, bis auf den Boden fallenden Gewändern der Frauen aus der Kindermordgruppe, sie ist gleichsam fester, blühen¬ der, oder doch gesünder, voll natürlichem, beglückendem Liebreiz. Als einzige Hirtin" trägt sie den breiten Korb mit Apfeln stolz auf ihrem Haupte. Sie hält ihn mit ihrer Linken, während die Rechte in der Bewegung des Schreitens ausschwingt, ja schon in der Nähe des Kindes verhaltend, gleichsam behutsam im Raume vortastet, als wollte sie sich die letzten Schritte ihres Weges zu dem Neugeborenen leise und auf Zehenspitzen nähern. So strömt aus ihr etwas Sicheres und gleicherweise Behutsames aus, das sie zum Spiegelbild unseres gesunden, ländlichen Menschen macht. Ihr eng anliegendes Leibchen ist lilafarben. Der faltenreiche Nock ist von einem freundlichen Grasgrün, die Strümpfe sind orangefarben, die Halbschuhe haben dunkelgrüne Maschen. Die buffigen Hemd¬ ármel sind von weißem Linnen. Auch der Korb ist zum Teile mit einem hellen Tuche zugedeckt. An der Seite hat sie ein braunes Hirtentäschchen hängen. Die Apfelmagd gehört zu jenen vollendeten Kleinplastiken der Krippenkunst, die mehrere Stellungen zulassen und ist so beliebt, daß sie auch in der Flucht nach Agypten — die Rückkehr wird nicht aufgestellt —, wo sie gar nichts zu tun hat, den Fliehenden wie zufällig im Walde begegnet, während der Juchheißa mit mit seinem grünen Spitzhut in kirschroter Hose und blauem Mantel wiederum seine Musik erklingen läßt. So schön die Gabenbringer auch sind, die Doppel¬ gruppe mit dem blinden Greis neben ihnen ist einmalig (Abb. 2). Auch sie hat zu Wiederholungen angeregt. Erreicht wurde sie nie wieder, besonders nicht in der Haltung der Hände, da sich die Beiden gleichsam gegenseitig zur Krippe weisen, jener wichtigen Stelle, durch die die beiden Freifiguren ihre Verbindung erhalten. Der mächtige, bebartete Alté, in seinem grauen Mantel mit scharlach¬ roter Weste, ein Bild des Wohlstandes, die Pelzmütze in der Rechten, aus der das rote Futter aufleuchtet — er bleibt dem Beschauer unvergeßlich in dem Ausdruck seines Horchens. Er hat eine gelbe Hirtentasche umgehängt, aus der ein Brotstrutz und seine helle Flöte hervorschauen und trägt eine lange, weite, dunkelblaue Hose. Auch der Kleine ist barhaupt, sanft drängt er den Alten vor¬ wärts 19), weist mit der Linken erregt auf das Geschehen im Stalle. Er trägt über seiner hellgrünen Hose einen weißen, losen, halbkurzen Mantel mit schmalen, grünen und dunkelvioletten Streifen. So reich und bunt das Bild der Hirtenanbetung vor uns erstehen mag, die Farbenskalen sind bescheiden und schlicht neben den Farbenakkorden der nächsten Wechselgruppe: der Gruppe der heiligen drei Könige. In den Drei¬ königsgruppen entwickelt die Krippenkunst ihre reichste Entfaltung. Es ist ein figurenreiches, lautbewegtes Bild, ein Zusammenklang aus drei verschiedenen Be¬ reichen: der Inder, der Afrikaner, der deutsche König und ihr Gefolge einen sich 10) Eine verkleinerte Wiederholung in der mehrszenigen großen Kastenkrippe im Landes¬ museum Linz. 323

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