OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter wurden sie größtenteils verschenkt und vom geherrscht hat. Sie gewähren daneben auch Empfänger als Zimmerschmuck verwendet. einen interessanten Einblick in das Bildungs¬ Es hatte sich nämlich seit dem 17. Jahr¬ und Geistesleben der Zeit. hundert an den Universitäten besonders Süd¬ In Frankreich haben die großen Graphiker deutschlands der Brauch herausgebildet, bei Callot, Le Brunn, Edelinck, Cochin, Nanteuil feierlichen Disputationen derartige Thesen¬ u. a. Thesenblätter herausgebracht. Auch ita¬ blätter von graphischen Künstlern herstellen zu lienische Stecher haben auf diesem Gebiet Be¬ lassen, auf denen die Thesen (wissenschaftlich deutendes geleistet. Das klassische Land für Thesentafeln aber ist Deutschland geworden. Lehrsätze), die der Prüfungskandidat zu ver¬ teidigen hatte, verzeichnet waren. Die Fakul¬ Besonders Augsburg ist in diesem Kunstzweig tät oder der Doktorand verschickten vor der führend hervorgetreten. Hier haben die Künst¬ öffentlichen Disputation diese Kunstblätter als lerfamilien Kilian und Heiß ganz Hervor¬ Einladung zu der feierlichen Prüfung, ließen ragendes geleistet. In Österreich hat Johann sie zu Beginn der Feier an hochgestellte An¬ Christoph Winkler das Privilegium, die Thesen¬ wesende verteilen oder widmeten sie nachher blätter für alle österreichischen Länder zu geistlichen und weltlichen Würdenträgern und stechen, erhalten. Dementsprechend wurde die Gönnern als bleibende Erinnerungen. Sitte der Verwendung von Thesenblättern, wie Die Thesenblätter waren teilweise sehr schon erwähnt, besonders an den höheren Lehranstalten Süddeutschlands gepflegt. großformatige Kupferstiche mit religiösen und allegorischen Darstellungen oder mit den Bild¬ Auch an den österreichischen Hochschulen nissen hoher Gönner im kräftigen Dekorations¬ war dieser Brauch in Übung. Die Sitte der Thesenblätter hatte aber nicht nur an den stil des Barock. Im übrigen stehen die bild¬ lichen Darstellungen meist in keinem direkten Universitäten Eingang gefunden. Die altehr¬ Zusammenhang mit den Thesen oder mit den würdigen Orden der Benediktiner, Zisterzienser Akt der Disputation. und Prämonstratenser haben sich ebenfalls an Unter der bildlichen Darstellung ist fast ihren Hauslehranstalten, den philosophisch¬ immer ein eigener Textstreifen aufgeklebt, der theologischen Akademien, diesen künstlerischen Brauch zu Eigen gemacht. Daher finden sich in drei Felder aufgespaltet ist. Der mittlere Teil trägt meist die Widmung an einen Gönner auch aus süddeutschen und österreichischen Stif¬ oder einen hohen Würdenträger, die linke Ab¬ ten solche Thesenblätter, die davon Zeugnis teilung verzeichnet den Namen oder die Na¬ geben, daß hier feierliche Disputationen ab¬ nen der Kandidaten und der Professoren, die gehalten wurden. Natürlich haben auch die oberösterreichischen n Vorsitz führen. Anschließend sind die Thesen abgedruckt, die verteidigt werden sollen; Stifte diese allgemein geübte Gepflogenheit ihre Aufzählung wird im rechten Felde fort¬ übernommen. Die Jesuiten, die im Bildungs¬ geführt. Dieser Streifen ist an das Bild wesen der damaligen Zeit eine große Nolle künstlerisch angeschlossen. Die textliche Vertei¬ spielten, haben die Ausgabe von Thesentafeln lung bildet aber kein starres Schema. Aus der bei feierlichen Disputationen ebenfalls einge¬ Tatsache, daß der Textstreifen an die bildliche führt. Davon zeugt nicht nur ein im Landes¬ Darstellung fast immer angeklebt erscheint, geht museum erhaltenes Thesenblatt ihres akade¬ hervor, daß die Thesenblätter wenigstens teil¬ mischen Gymnasiums in Passau, sondern auch weise vom Künstler nicht für den speziellen eine Reihe von solchen des akademischen Gym¬ Ul gestochen wurden, sondern von diesem nasiums in Linz, die das oberösterreichische oder vom Verleger wiederholt verkauft wur¬ Landesmuseum als kulturgeschichtlich wert¬ den. Zweifellos sind die Thesentafeln ein be¬ vollen heimatlichen Schatz hütet. Es ist mög¬ redtes Zeugnis von der künstlerischen Durch¬ lich, daß dort und da noch einzelne Thesen¬ dringung des akademischen Lebens und spie blätter aufbewahrt werden. Diese möchte das geln in würdiger Form den edlen Kunstsinn Landesmuseum zur Vergrößerung seiner wider, der an den Universitäten und höheren Sammlung gerne erwerben. Thesenblätter sind Lehranstalten des 17. und 18. Jahrhunderts im übrigen verhältnismäßig wenige erhalten

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