OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Schmidt: Gelbstzeugnisse im oberösterreichischen Schrifttum Wie Keim war auch der wenig jüngere Freistädter Edward Samhaber (1846 — 1927) Mittelschullehrer, ein tief poetisches Gemüt voll inniger Hingabe an die Heimat. Liebevoll hat er sich in die Vergangenheit des heimischen Schrift¬ tums versenkt, um es dichterisch neu zu beleben, Landschaft und Menschen schmei¬ chelnd in Versen einzufangen. So ist auch seine gefühlvolle Selbstdarstellung „Mosaiken“ (1909) eine leichtbeschwingt zwischen Lyrik und Prosa hin- und wider¬ schwebende Verklärung von Welt und Zeit. Ebenso sind die Lebensbücher des Komponisten Wilhelm Kienzl (1857— 1941) aus Waizenkirchen, „Meine Le¬ benswanderung“ (1926), und des großen Chirurgen Anton von Eiselsberg (1860 — 1939) aus Steinhaus bei Wels, „Lebenswege eines Chirurgen“ (Inns¬ bruck 1939), in ihren Kapiteln aus der Kindheit von Liebe zur Väterheimat be¬ schwingt, während sie sonst nur sachlich berichten. Mit Hermann Bahr möge diese flüchtige Betrachtung der immerhin nicht wenigen Selbstdarstellungen von Oberösterreichern ihren Abschluß finden. hat alle Arten dieser Schrifttumsform in Oberösterreich vorgewiesen: Vom „Journal“ im Sinn der kaufmännischen Buchführung mit persönlichen Ein¬ streuungen wie bei Tichtel, von der Chronik, von dem auf Nachricht und Neuigkeit abzielenden Reisebericht über die höheren Formen der Darstellung vom eigenen Innenleben und seinen geistigen Beziehungen zur Außenwelt bis nahe zur höchsten Sie Form des „Bekenntnisses“. Dieses reicht bereits in eine „nachkünstlerische" Region jener Geisteswerke, denen an sich geschichtsbildende Kraft innewohnt. Hermann Bahr (1863 — 1934) aus Linz stellt einen Sonderfall dar: fast scheint es, als hätte er so absonderlich gelebt, um nachher Stoff zum Schreiben zu haben. Er lebte für sein „Tagebuch", das unverzüglich gedruckt wurde und seine sämtlichen Werke scheinen nur eine Vorarbeit für das aus tausend Selbstbespiege¬ lungen gewonnene „Selbstbildnis“ (Berlin 1923) zu sein. Auch das wußte Bahr schon selber, denn eben dieses Selbstbildnis leitet er mit den Worten ein: „Der gute Vinzenz Chiavacci schuf den Herrn von Adabei. Ein solcher intellektueller Herr von Adabei bin ich gewesen: da liegen die Tugenden meines Geistes und da meine Fehler, auch die leise Komik, die, bis ins Tragische hinein, ihn begleitet. Aber ich war nicht bloß immer gleich dabei, ich war doch meistens ja schon voran. Ich habe fast jede geistige Mode dieser Zeit mitgemacht, aber vorher, nämlich als sie noch nicht Mode war.“ Der barocke Romanschreiber Johann Beer aus dem Attergau hat sich auch Bähr geschrieben, ebenso wie die Vorfahren Bahrs, sie haben auch sonst große Ähnlichkeit bis zur echt barocken Länge der Sätze (bei Bahr etwa einer von 43 Druckzeilen auf Seite 576 des „Selbstbildnisses"). Etwas weitläufig würde sich damit der Kreis vom siebzehnten zum zwanzigsten Jahr¬ hundert schließen.

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