OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Oberösterreichische Heimatblätter maßgebenden Einfluß auf alle Zweige des öffentlichen Lebens. In nationaler Hinsicht zählte das Land Oberösterreich zur Gruppe der deutschen Provinzen, aber infolge einer einheitlichen deutsch sprechenden Bevölkerung gedieh hier kein solch radikaler Nationalismus wie in den gemischtsprachigen Ländern. Seit dem Jahre 1848 beherrschten die deutsch-liberalen Bürgerlichen in Oberösterreich — so auch in der Regierung der österreichischen Reichshälfte — politisch das Feld, wozu das ihre Stellung begünstigende Kurien-Wahlsystem außer der allgemein vorherrschen¬ den Weltanschauung auch beitrug. Seit den Anfängen der Achtziger-Jahre trat dann die katholisch-konservative Bauernschaft in den Vordergrund, zu der sich erst nach dem ersten Weltkrieg die sozialistische Arbeiterschaft als maßgebender Faktor gesellte. Oberösterreich war so im Ganzen gesehen fast immer positiv zur jeweiligen Regierung eingestellt, eine Tatsache, die allerdings bei den maßgebenden Kreisen in Wien, im Verhältnis zu der Begünstigung anderer Länder, nicht entsprechend gewürdigt wurde. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht hat Oberösterreich im Verbande der Donau¬ monarchie, gemessen an seinen zum Gesamtstaat nur bescheidenen Bodenfläche und Einwohnerzahl (in Österreich-Ungarn zirka 1.8 Prozent) eine ziemlich ansehnliche Leistung vollbracht. Jedenfalls hat es die anderen kleineren Länder wie Salzburg und Kärnten, sogar das damals ungeteilte Tirol und teilweise auch die Steiermark (samt dem Unterlande) hinsichtlich des Bodenwertes, der Viehzucht, der Geldein¬ lagen und der Steuerleistungen weit überragt, ganz abgesehen davon, daß seine Salinen einen erklecklichen Beitrag zu den direkten Staatseinnahmen leisteten. Daß unser Land trotzdem im Verbande der Monarchie sowie der österreichischen Reichshälfte nicht den ihm gebührenden politischen Rang und wirtschaftlichen Ein¬ fluß ausüben konnte, lag zum guten Teil daran, daß es schon seit alters stark im Bannkreise der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien lag; seine Auswirkung wurde durch die neuzeitliche technische und kapitalistische Entwicklung noch mehr gefördert. Noch knapp vor dem Untergang der alten Donaumonarchie brachte das im Jahre 1915 nach langen Auseinandersetzungen veröffentlichte mittlere Staatswappen dem Lande ob der Enns auch äußerlich den ihm zukommenden Rang unter den alt¬ österreichischen Kernländern; bisher hatte es im alten großen Staatswappen (zuletzt 1836 kundgemacht) immer noch einen dem mittelalterlichen Rangstreit und seiner 1632 getroffenen Lösung entsprechenden sehr bescheidenen Platz nur im Range einer Markgrafschaft eingenommen. Die europäische Staatenentwicklung, welche durch die Zerstörung des ehr¬ würdigen Völkerstaates an der Donau im Jahre 1918 eingeleitet wurde, ist seitdem nicht zur Nuhe gekommen, ja es zeigt sich, daß das so verlästerte Österreich trotz aller seiner Mängel und von den Politikern und Gelehrten erklärten Lebensun¬ fähigkeit es anscheinend auf Grund seiner vielhundertjährigen Erfahrung immer noch besser verstanden hat, den in ihm vereinten Völkern ein erträgliches Dasein zu bieten, als die später versuchten „Lösungen“ dies vermochten. Oberösterreich hat vermöge seiner gut ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen 36

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