OÖ. Heimatblätter 1947, 1. Jahrgang, Heft 1

Hoffmann: Österreich und das Land ob der Enns ganz von Österreich eroberte Ungarn mit seinen Nebenländern stärker hervor, vermag jedoch sein Eigenleben noch im weiten Maße zu behaupten. Auch die später erfolgten Angliederungen großer Gebiete Polens (Galizien 1772/95, Bu¬ kowina 1775) sowie italienisch sprechender Länder (Venetien, Dalmatien 1797) bei gleichzeitigem Verluste Schlesiens an Preußen (1742) verschob das Schwer¬ gewicht des österreichischen Donaustaats, das bisher in der Innehabung der deutschen Kaiserkrone durch das Haus Habsburg gelegen war, von der Mitte Europas mehr in den Osten und Südosten. Obwohl seit dem entscheidenden Siege des fürstlichen Absolutismus über die revolutionäre Adelsherrschaft in Böhmen in der Schlacht am Weißen Berge (1620) die Macht der Landstände immer mehr zurückgedrängt wurde, beseitigten erst die theresianischen und josefinischen Reformen ihren maßgebenden Einfluß in der Staatsverwaltung. Eine alle oder wenigstens mehrere Länder umfassende ein heitliche Gesetzgebung schränkt das Sonderleben der Länder ein und macht diese immer mehr zu gleichartig ausgerichteten Provinzen des modernen Staates. Trotzdem oder gerade deswegen rücken, wie uns die neu eingerichteten Zentral¬ behörden, vor allem die vereinigte böhmisch-österreichische Hofkanzlei zeigen, die beiden Gruppen der alten Erblande und die bei Österreich verbliebenen Länder der böhmischen Krone näher aneinander. Dafür sprachen nicht nur staatsrechtliche Gründe — nur diese Länder der Donaumonarchie gehörten dem bis 1806 be¬ stehenden alten deutschen Reich und nachher dem deutschen Bunde bis 1866 an sondern auch wirtschaftliche Erwägungen. Um den Verlust des gewerbefleißigen Schlesiens wettzumachen, verdoppelte man die Anstrengungen in den anderen Ländern. So erlebte die schon ins Mittel¬ alter zurückreichende Leinwanderzeugung im Lande ob der Enns eine neue Blüte¬ zeit und die vom Staat übernommene Linzer Wollzeugfabrik beschäftigte außer ihren 5000 Arbeitern umfassenden Eigenbetrieb noch etwa 50.000 Heimarbeiter nicht bloß in Oberösterreich, sondern auch in den angrenzenden Ländern, vor allem in Böhmen. Überhaupt hob sich die Ausfuhr sowohl nach dem Süden (Italien) als auch nach dem Osten, vorab innerhalb der Donaumonarchie selbst, die jetzt auch auf wirtschaftlichem Gebiete stärker als früher zusammenarbeiten sollte. Die früher weitgehend von dem Markte im Reiche abhängige Steyrer Eisenindustrie, vorab die Sensenerzeugung, wandte sich mit ihrem Exporte ebenfalls stärker dem Osten zu. Eine Reihe von Gründungen neuer Fabriken, hauptsächlich auf dem Bereiche der Textilerzeugung, versuchte das Land ob der Enns von der bisher fast allein herrschenden Agrarwirtschaft mehr in die industrielle Richtung zu drängen, doch blieb dies eine nur vorübergehende Erscheinung. Bildet die Angliederung des 1779 von Bayern an Österreich abgetretenen Innviertels einen gewissen Ausgleich im jahrhundertelangen Ringen zwischen den beiden Hauptrivalen, so waren damit nicht alle Probleme an der Westgrenze des Landes ob der Enns gelöst; denn auch hinsichtlich der beiden geistlichen Fürsten¬ tümer Salzburg und Passau blieb die Frage ihrers Verhältnisses zu Österreich

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