Grüne Bürgerzeitung, Nummer 2, Juni 1992

Und die geplante Umwandlung von Dauerparkplätzen zu gebühren- pflichtigen Kurzparkzonenwird auch wieder zu mehr Autoverkehr ins Zentrum führen, da ja dann dort leichter Parkplätze gefunden werden. Fazit: Mit den geplanten Maßnah- men ist eine notwendigeEindämmung der Autoverkehrslawine nicht zu er- reichen. Die Sowohl-als-auch-Stra- tegie geht letztlich zu Lasten des Steuerzahler. Neben dem steigenden Defizit der Verkehrsbetriebe werden auch steigende Reparatur- und Um- weltkosten des Autoverkehrs zu dek- . ken sein. In anderen Städten hat dies bereits die Politik auch außerhalb der grünen Parteien erkannt. Die Situation am Taborknoten und die geplante Nordspange sind wohl die drängendsten und umstrittensten Verkehrsprobleme in Steyr. Die einen klammern sich in ihrer unerträglichen Lage an den Bau der Nordspange. Die GAL meint; daß dies das Problem nur kurzfristig verlagert, während die Ursachen des Verkehrsaufkommens unangetastet bleiben. Wir haben den Sprecher der Tabor-Verkehrsinitiative, SR Wolfgang Moser, zu einer Aus- einandersetzung über diese Frage mit der GAL-Gemeinderätin Eva Scheucher eingeladen. Die Spielregeln waren denkbar einfach. Jedelr schreibt seinen Kommentar undizat dann die Möglichkeit in einem kurzen Gegenkommentar aufdie Ausführungen der/des anderen zu antworten. Beide Meinungen werden unzensuriert in der Grünen Bürgerzeitung veröffentlicht. Es ist - und das hält sich die GAL zugute - wohl erstmalig in Steyr der Fall, daß in einer „Partei- zeitung" auch eine abweichende Gegenmeinung so ausführlich zu Wort kommt. Für uns ist das ein wichtiger Baustein zu mehr Streitkultur, zu mehr politischer Kultur in unserer Stadt. Immer wieder werden wir gefragt: ,,Was habt ihr nur gegen die Nord- spange? Der Verkehr gehört aus der Stadt heraus und außen herum gelei- tet. Sind euch eigentlich die Men- schen am Tabor gleichgültig?" Sind sie uns absolut nicht!Und ich möchte deshalb noch einmal die Gründe für unsere Ablehnung der Nordspange darlegen. Das Projekt Nordspange stammt aus einer Zeit, als die „Vollmotorisierung" wichtigstes verkehrspolitisches Ziel war. Mittlerweile stehen die Zeichen aber auf Reduzierung des KFZ-Ver- kehrs. Und wir wissen heute alle, daß neue Straßen neuen Verkehr anzie- hen. Unser Bürgermeister hat hier ein Zitat von Minister Schüssel be- geistert aufgegriffen : ,,Wir brauchen eine Straße nach Europa!" Für mich heißt das im Klartext: ,,Die EG braucht eine weitere Nord-Süd-Tran- sitroute." Im Zusammenhang mit dem immer wieder geforderten Aus- bau der Straßen von Linz nach Budweis wird dies erst so richtig deutlich. Und schon heute wird gemunkelt, daß die Nordspange ohne den zu- sätzlichen Bau einer Westspange. sinnlos sei. Die Steyrer Verkehrspolitiker haben dem Verkehrsplaner Dr. Stickler die Nordspange bereits als Vorgabe für sein Generalverkehrskonzept der Stadt mitgegeben. Das heißt: In die- semKonzept werden Lösungen ohne Nordspange gar nicht mehr unter- sucht. Laut eben diesem Dr. Stickler läßt dieNordspange amTaborknoten eine Verkehrsreduziezierung um ca. 300/oer- warten. Da aber gleich- zeitig mit einer Zu- nahme des motorisier- ten Verkehrs um 5-60/op.A. gerech- net wird, ist dieseErleichterung für die Taborbewohner bereits in 5 Jahren - also zumZeitpunkt der Fertigstellung der Nordspange - nicht mehr spür- bar. Verkehr verlagern bringt somit gar nichts. Ein Großteil des PKW- Verkehrs am Taborknoten ist „haus- gemacht" - das heißt es sindvor allem Fahrten zu den Einkaufszentren am Stadtrand. Wenn ich - um mit einem Bild zu sprechen - mit einer schwe- ren Krankheit jemand anderen an- stecke,werdeichdeswegennochlange nicht gesund. Das gilt auch für diese Situation. Denn wenn durch den Bau der Nordspange auch die Münich- holzer Bevölkerung von Lärm und Abgasen geplagt wird und das Ge- müse in den dortigen Schrebergärten nur mehr schwermetallhältiger „Sondermüll" ist, dann hilft das den Menschen amTabor und entlang des Posthofberges gar nichts. Nur in Münichholz beginnt der Stau dann schon am Plenkelberg und nicht erst beim Kreisverkehr. Sie dürfen mir glauben, es ist mir nicht gleichgültig, wie die ,;Taborianer" unter dem Verkehr leiden. Aber so- wohl im Interesse der abgas- und lärmgeplagten Menschen als auch im Sinne der Umwelt und unser aller Atemluft müssen hier grundsätz- lichere Lösungen umgesetzt werden. Wir wollen auch nicht immer von Absiedelung sprechen, sondern ha- ben eine ganze Reihe von Vorschlä- gen, die die Situation ohne Nord- spange entschärfen würden: ♦ Verbesserung des öffentlichen Verkehrs durch bessere Fahrpläne, günstigere Tarife, attraktivere Fahr- kartenangebote und einen Verkehrs- verbund mit der Umlandregion, um Pendlern das Umsteigen zu erleich- tern. ♦ Direkte Förderung von Pendler- bussen statt kostenloser Werkspark- plätze. ♦ Eigene Busspuren auf dem „Ring um Steyr". Vielen würde das Umstei- gen auf Busse schmackhaft gemacht werden, wenn diese ungehindert an stauenden Autos vorbeifahren kön- nen. Die kürzeren Fahrtzeiten wür- den für sich sprechen. ♦ Stärkere Förderung der Nahver- sorgung und kei,ie weitere Genehmi- gung von Einkaufszentren am Stadt- rand. ♦ Förderung von Betrieben, die ihre Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern und Verwendung der Millionen, die die Nordspange kosten würde, für derartige Zwecke. Und nicht zuletzt auch ein Umden- ken in unseren Köpfen. Verwenden wir das Auto nur dort, wo es keine andere Möglichkeit gibt. Die anfäng- liche Mühe dabei wird in unser aller Interesse sein, wenn Steyr eine Stadt für Menschen und nicht für Autos ist. · Neue Straßen liefern uns aber immer nur vorübergehende illusionen, daß alles so weiterfahren kann wie bisher. Frau Scheucher, deren Engagement sehr achtenswert ist, verwickelt sich in ihrem Kommentar in Widersprü- che. Einerseits meint sie, die Zeichen BlJRGERZEITlJNG " Seite 5

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