Grüne Bürgerzeitung, Nummer 2, Juni 1992

„Jede Maßnahme, die den Umweltverbund von zu Fuß gehen, Fahrrad und öffentlichem Verkehr fördert und attraktiver werden läßt, ist positiv und zu ergreifen;jede Maßnahme, die das Gegenteil bewirkt, ist zu unterlassen. Umgekehrt ist jede Maßnahme in der Tendenz einmal richtig, die die Autobenützung in der Stadt und zur Stadt erschwert, einschränkt, unattraktiver macht; aberjede Maßnahme ist zu unterlassen, die die Autobenützung erleichtert, vereinfacht, attraktiver macht." Wenn man heute in Steyr diese Ge- danken ausspricht und versucht po- litisch umzusetzen, ist man gleich als Ketzer, als Phantast, angeprangert. Anderswo sind diese Grundsätze aber bereits verkehrspq!itische Realität. So stammen obige Uberlegungen von Ruedi Aeschbauer, Politiker einer konservativen Partei und Verkehrs- stadtrat der chweizer Metropole Zürich. Aeschbauer wurde mit sei- ner Verkehrspolitik bereits mehrmals wiedergewählt und Verkehrspolitiker aller I Ierren und Frauen Länder pilgern nach Zürich, um das attrakti- ve öITentliche Verkehrsnetz zu stu- dieren. In der ve1;J<ehrspolitischen Diskus- sion der letzten Jahre zeichnen sich drei Phasen ab. 1. Lamentierphase: Die katastro- phalen Auswirkungen der Autover- kehrslawine werden erkannt. Die Politiker beschwören gebetsmühlen- artig die Förderung des öffentlichen Verkehrs und ein Umdenken in der Verkehrspolitik. Tatsächlichwird aber eine Fortsetzung der alten Auto- verkehrspolitik betrieben - weiterer Straßenausbau, mehr Parkplätze, Einstellung unrentabler Linien im öffentlichen Verkehr, Erhöhung von Bus- und Bahntarifen. Ergebnis: die Autolawine wächst rasant weiter. 2. Doppeltörderungsphase: Nun wird nicht nur geredet, es werden auchVerbesserungen imAngebot des öffentlichen Verkehrs durchgeführt, Fußgänger und Radfahrer werden vermehrt berücksichtigt, vereinzelt werden verkehrsberuhigte Straßen und Tempo-30-Zonen errichtet und es komtnt zur Parkraumbewirt- schaftung mit Billigtarifen. Gleichzeitig aber wird das über- geordnete Straßennetz ausgebaut, um den Autoverkehr zu „verflüssigen" und Staus aufzulösen. . ♦ Ergebnis: freiwilliges Umsteigen der Autofahrer findet nur in geringem Maße statt, der Autoverkehr steigt weiter an, das Defizit des öffentlichen Verkehrs nimmt enorm zu. 3. Konsequente Verlagerungs- phase: Es wird erkannt, daß auch einschränkende Maßnahmen für den Autoverkehr getroffen werden müs- sen. Flächendeckende Maßnahmen der Verkehrsberuhigung in Wohnge- bieten, Zufahrtsbeschränkungen in die Zentren. Durch eine Neuverteilung des Straßenraumes wird freie Fahrt für Busse bzw. Radfahrer und Platz für Fußgänger geschaffen. Der Auto- verkehr hat sich mit dem Rest der Straßen zu begnügen und wird durch Staumanagement und Parkleitsys- teme dirigiert. ♦ Ergebnis: Umsteigen auf öffentli- che Verkehrsmittel findet statt. Um- welt- und Lebensqualität der Stadt nehmen zu. Und in Steyr? Steyr befindet sich auf dem Weg von Phase 1 zur Phase 2. Im „Verkehrs- politischen Grundsatzbeschluß" des Steyrer Gemeinderates finden sich schöne Worte von „unnötigen Ver- kehr vermeiden, restlichen Auto- verkehr möglichst umweltschonend abwickeln", sowie „Vorrang für öf- fentlichen Verkehr, Fußgänger- und Fahrradverkehr". Auch wurde vom Verkehrsplaner Dr. Stickler ein Kon- zept für ein attraktives öffentliches Busnetz vorgelegt (Bahnhof als Nah- verkehrsdrehscheibe). Auch die Ein- führung des City-Busses hat für weite Teile der Stadt eine Verbesserung des Angebotes an öffentlichen Verkehrs- mitteln gebracht. Gleichzeitig aber werden Straßen ausgebaut: die Nordspange wird in das Gesamtverkehrskonzept über- nommen, die Gußwerkstraße und der Plenklberg werden als Stadteinfalls- straßen ausgebaut. Anstatt bei einer Überflutung durch Autos die Schleu- sen etwas mehr zu schließen, werden sie noch mehr geöffnet! Der Vorschlag des Verkehrsplaners Dr. Stickler für eine autofreie Altstadt - auch den Ennskai von Autos zu befreien - wurde von den amtieren- den Stadträten und ihren Parteien abgelehnt. Se II e 4 ----~------,-------------------------- GR UNE

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2